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Griechenland:

Parlament in Athen billigt Reformpaket

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Von Gläubigern verlangtes Sparprogramm nimmt Hürde. Doch Tsipras verliert Regierungsmehrheit.

Mit seiner Zustimmung zu einem ersten schmerzhaften Reformpaket hat das griechische Parlament den Weg frei gemacht für Verhandlungen über ein dringend benötigtes drittes Hilfspaket der Euro-Länder. Für die Rentenreform und andere Maßnahmen stimmten in der Nacht zum Donnerstag in Athen 229 Abgeordnete, dagegen 64.

Gegenstimmen aus eigener Partei
Regierungschef Alexis Tsipras hatte die Auflagen als alternativlos dargestellt, damit aber knapp ein Drittel seiner Fraktion nicht überzeugt. Von den 64 erklärten Gegnern der Reformauflagen gehören 32 Tsipras' Syriza-Partei an. Auch die sechs Enthaltungen kamen aus dem Regierungslager, ein weiterer Abgeordneter blieb der Abstimmung fern. Vorab hatte Vize-Finanzministerin Nadia Valavani aus Protest gegen die Auflagen ihren Rücktritt eingereicht.

Krawall-Demos in Athen



Tsipras verlor damit die eigene Regierungsmehrheit von 162 der 300 Parlamentssitze. Ohne die Unterstützung des Koalitionspartners Anel und der proeuropäischen Oppositionsparteien hätte er die Maßnahmen, zu denen auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und automatische Ausgabenkürzungen gehören, nicht durchs Parlament gebracht.

Varoufakis stimmte mit Nein

Die Zustimmung verweigerten unter anderem Energieminister Panagiotis Lafazanis und Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou. Auch der ehemalige Finanzminister Yanis Varoufakis stimmte mit Nein. Die Zahl der Abweichler in der Syriza-Fraktion lag in etwa so hoch wie erwartet. Einen Stimmungsumschwung hatte Tsipras auch mit seinem eindringlichen Appell vor dem Parlament nicht bewirken können.

"Ich stand vor verschiedenen Möglichkeiten: Eine war es, ein Abkommen zu akzeptieren, mit dem ich in vielen Punkten nicht einverstanden bin, eine andere war ein ungeordneter Zahlungsausfall", erklärte Tsipras den Abgeordneten sein Dilemma. Es gebe "für uns alle keine andere Möglichkeit, als die Last dieser Verantwortung zu teilen". "Wir werden nicht von unserem Versprechen abrücken, bis zum Ende für die Rechte der arbeitenden Menschen zu kämpfen", versprach Tsipras zugleich.

Der neue Finanzminister Euklides Tsakalotos sagte in der Parlamentsdebatte, die Entscheidung für das neue Hilfspaket werde "auf meinem ganzen Leben lasten". "Ich weiß nicht, ob wir das Richtige getan haben. Ich weiß, dass wir etwas getan haben, bei dem wir aus unserer Sicht keine Wahl hatten", bekannte Tsakalotos. Der zweite Teil des Reformprogramms soll bis Mittwoch kommender Woche verabschiedet werden.

Der Chef der griechischen konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia, Evangelos Meimarakis, begrüßte die Zustimmung zu den Spar- und Reformgesetze. "Das Parlament hält Griechenland auf Kurs", sagte Meimarakis am frühen Donnerstagmorgen. Dies sei die richtige Nachricht an Europa. Neuwahlen seien für ihn keine Option, sagte Meimarakis. Seine Partei werde auch kein Misstrauensvotum beantragen, obwohl die Regierung ihre Mehrheit bei dieser Abstimmung verloren habe.

Der Anführer des linken Flügels der Syriza-Partei, Energieminister Lafazanis, erklärte, er unterstütze weiter die Regierung trotz der negativen Stimmen bei diesem Votum. "Wir werden gemeinsam weitermachen. Wir stützen die Regierung, sind aber gegen die Sparprogramme", sagte er.

Die Euro-Länder hatten sich am Montag nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon bereit erklärt, das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland mit einem neuen Milliarden-Programm zu unterstützen. Sie knüpften dies aber an umfangreiche Bedingungen. Diese sind weitaus härter als die Gläubiger-Bedingungen, die die Griechen in einem Referendum vor eineinhalb Wochen abgelehnt hatten.

Demonstrationen

Daran erinnerten auch aufgebrachte Demonstranten vor dem Athener Parlament. Sie hielten Schilder mit der Aufschrift "Wir haben 'Nein' gesagt, wir haben 'Nein' gemeint" hoch. An der Demonstration beteiligten sich rund 12.000 Menschen. "Er hat uns belogen", schimpfte ein Teilnehmer über Tsipras. "Wenn er noch ein Fünkchen Ehre hat, muss er zurücktreten."

Am Rande der Protestkundgebung warfen junge vermummte Demonstranten Steine und Brandbomben auf die Polizei. Der Kleinbus eines Fernsehsenders wurde in Brand gesetzt, mehrere Geldautomaten und Schaufenster zerstört. Die Polizei setzte Tränengas und Pfefferspray ein. Nach Angaben aus Polizeikreisen wurden vier Beamte leicht verletzt und etwa 40 Randalierer festgenommen.
 
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Krawall-Demos in Athen

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