EU besorgt

Regierungskrise in Portugal spitzt sich zu

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Weitere Minister erwägen rund um den Sparkurs ihren Rücktritt.

Die Regierungskrise in Portugal spitzt sich zu. Nach Finanzminister Vitor Gaspar und Außenminister Paulo Portas bereiten Medienberichten zufolge zwei weitere Minister ihren Rücktritt vor. Die Spitze der konservativen CDS-PP (Demokratisches und Soziales Zentrum-Portugiesische Volkspartei) von Portas berät derzeit über das weitere Vorgehen, dabei dürfte es um den Verbleib in der Regierungskoalition gehen. Präsident Anibal Cavaco Silva will sich noch in dieser Woche mit den oppositionellen Sozialisten, Ministerpräsident Pedro Passos Coelho von den konservativen Sozialdemokraten und anderen Parteien treffen, um über die Krise zu sprechen. Sollte die Regierung von Coelho scheitern und Neuwahlen nötig werden, wirft das Fragen auf, ob das Land am Sparkurs festhalten und wie geplant Mitte des kommenden Jahres den Rettungsschirm verlassen kann. Dies sorgte an den Finanzmärkten für heftige Turbulenzen.

Unruhe in Brüssel
In Brüssel sorgte die Regierungskrise im Euro-Krisenland Portugal für Unruhe. "Die Kommission und ich persönlich verfolgen die Lage mit Sorge", ließ Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch über einen Sprecher mitteilen. Die ersten Reaktionen der Finanzmärkte zeigten, dass die neu aufgebaute Glaubwürdigkeit des Landes im Finanzbereich durch politische Instabilität beschädigt werden könnte. Barroso, selbst Portugiese und Ex-Premier, forderte von den politischen Akteuren Sinn für Verantwortlichkeit und eine rasche Klärung der Lage. Der Sprecher ergänzte, die Kommission mische sich nicht in die Frage ein, ob es Neuwahlen geben sollte.

Portugal hängt immer noch am Tropf internationaler Geldgeber. Laut Kommissionssprecher ist es zu früh darüber zu spekulieren, ob Hilfszahlungen wegen der Regierungskrise ausgesetzt werden könnten. Die "Troika" der Geldgeber - EU, Europäische Zentralbank (EZB) und IWF (Internationaler Währungsfonds) - soll in einigen Wochen nach Lissabon zurückkehren, um die Fortschritte bei der Sanierung der Finanzen zu überprüfen.

Gut finanziert
Ein hoher EU-Beamter ergänzte, Portugal sei gut finanziert. Es gebe keinen Anlass, sich darüber für das laufende Jahr Sorgen zu machen. Die Euro-Finanzminister werden an diesem Montag (8.7.) über die Lage in Portugal debattieren.

Auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem bezeichnete die Situation in Portugal als besorgniserregend. "Ich gehe aber davon aus, dass sich die politische Situation in Portugal stabilisiert und dass Portugal zu seinen Verpflichtungen steht, die es im Rahmen des Hilfspakets eingegangen ist", sagte er vor niederländischen Parlamentariern.

Erst Ende Juni hatte Finanzminister Gaspar angekündigt, dass sein Land noch heuer wieder Anleihen am Kapitalmarkt ausgeben will, nachdem wenige Wochen zuvor ein erstes Papier platziert worden war. Durch die Regierungskrise wird dies jedoch unwahrscheinlicher. Am Mittwoch schnellten die Zinsen am Sekundärmarkt in die Höhe, für zehnjährige Anleihen stiegen sie erstmals seit November wieder über 7,5 Prozent. An der Börse in Lissabon gaben die Kurse nach, der Aktienindex notierte mehr als sechs Prozent im Minus.

Eher keine Rückkehr

Die deutschen Großbanken rechnen jedoch nicht damit, dass die Euro-Staatsschuldenkrise mit voller Wucht zurückkehrt. Zwar könne es immer wieder Ausschläge geben, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer. Die Finanzmärkte hätten aber gelernt, mit Entwicklungen wie derzeit in Portugal umzugehen.

Gaspar war wegen des schwindenden Rückhalts in der Bevölkerung für den Sparkurs am Montag zurückgetreten. Am gestrigen Dienstag hatte dann Außenminister Portas seinen Rücktritt erklärt, den Ministerpräsident Coelho aber nicht akzeptiert hatte. Nun wollen anscheinend auch Landwirtschaftsminister Assuncao Cristas und Sozialminister Pedro Mota Soares, beide Mitglieder der CDS-PP, ihre Ämter niederlegen. Verlässt die CDS-PP die Koalition mit den Sozialdemokraten, verfügt Coelho nicht mehr über die Mehrheit im Parlament.

"Eines ist gewiss, der Ministerpräsident wird alles tun, um an der Macht zu bleiben, und er wird Portas alle möglichen Zugeständnisse anbieten", sagte der Politikwissenschaftler Antonio Costa Pinto. "Wenn das nicht gelingt, können wir vorgezogene Neuwahlen kaum vermeiden."

Opposition liegt vorne
In Umfragen liegen derzeit die oppositionellen Sozialisten vorne, allerdings wären sie auf einen Koalitionspartner angewiesen, um regieren zu können. Nach Einschätzung der Barclays-Bank dürfte sich auch bei einem Regierungswechsel am Sparkurs wenig ändern. Selbst wenn es zu Verzögerungen bei der Auszahlung von Hilfstranchen komme, verfüge Portugal über genügend Geld, um heuer auslaufende Anleihen begleichen zu können, schrieben die Experten.

Die deutsche Regierung setzt auf eine Fortsetzung des Reformkurses in Portugal. "Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass Portugal am vereinbarten Reformkurs festhalten wird und wird diesen Weg auch unterstützen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Der Reformweg, den das Land eingeschlagen habe, sei beeindruckend. "Die Bundesregierung weiß, dass das ein sehr schwieriger Weg ist. Aber weil er an den Wurzeln anpackt, wird er auch Erfolge bringen", sagte Seibert. Einige Erfolge seien bereits sichtbar.

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