Bulgarien

Roma-Familien auf Felder vertrieben

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Nach Abriss eines Wohnviertels bei Yambol hausen sie jetzt in Notverschlägen.

Für Hunderte Roma-Familien am Rand der bulgarischen Kleinstadt Yambol ist nun jene soziale Katastrophe, die sich seit Jahren angekündigt hat, Realität geworden: Ein ganzes Wohnviertel wurde auf Anordnung der Stadtverwaltung dem Erdboden gleich gemacht, seine Bewohner hausen nun in Verschlägen auf einem angrenzenden Feld. Die Situation in den Notunterkünften ist verheerend - einige Kinder mussten bereits in Spitäler eingeliefert werden.

Isolation im Plattenbau
Unter dem Namen "Block 20" erlangte das Schicksal des Viertels bald überregional traurige Berühmtheit. Eine Anfang der 80er Jahre aus dem Boden gestampfte Plattenbausiedlung war seit damals Unterkunft für einige hundert Roma-Familien. Im Inneren der Betonburg herrschten bald extreme Armut, Verwahrlosung, Krankheiten, Analphabetismus, Prostitution, Alkoholismus und Drogenmissbrauch - alles Folgen gesellschaftlicher Isolation, unter der die mehr als eine Million Roma in einem Land, das nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nur sehr schwer auf die Beine kommt, zu leiden haben. Die wenigen, die Arbeit fanden, zogen schnell weg aus dem Block, der Rest versank im absoluten Elend.

Strom und Wasser abgeschaltet
Die bulgarische Kinderschutzorganisation "National Network for Children" hat den Fall nun publik gemacht und übt harsche Kritik an der Stadtverwaltung. Mit den Jahren sei das Wohnviertel zu einem echten Ghetto verkommen, sukzessive wurden Strom- und Wasserversorgung abgeschaltet - und schließlich auch die Mietverträge gekündigt, weil von den Bewohnern längst niemand mehr Miete zahlen konnte.

Soziales Desaster
Mitte April 2010 berief der neue Bürgermeister Georgi Slavov eine Konferenz ein, an der Vertreter der bulgarischen Regierung ebenso teilnahmen wie Mitglieder von Unicef und einigen NGOs. Wiederum wurden Zukunftspläne geschmiedet, um das Sozialdesaster von Yambol zu lösen oder zumindest in den Griff zu bekommen - doch geändert hat sich laut "National Network for Children" überhaupt nichts.

Ganz im Gegenteil: Ende Mai 2010 wurde der bauliche Zustand von "Block 20" als gefährlich eingestuft, den Bewohnern wurde mitgeteilt, sie müssten ausziehen. Wut und Verzweiflung machten sich breit, einige Roma begannen sogar, die Wohnsilos eigenhändig abzureißen. Doch als ein Kind von einem Betonbrocken erschlagen wurde, ließ Bürgermeister Slavov das Gelände von der Polizei räumen und einen Metallzaun rundherum errichten. Hunderte Familien waren plötzlich obdachlos und siedelten sich unter Plastikplanen oder Holzverschlägen rund um die Baustelle an.

Verschläge im Schlamm
Seither hat sich die Situation nur noch verschärft. Die Temperaturen nähern sich allmählich dem Gefrierpunkt, Wind und Regen peitschen übers Land. Das Feld am Rand der bulgarischen Kleinstadt Yambol hat sich in eine Schlammwüste verwandelt - und mitten drinnen ducken sich kleine Verschläge aus Plastik, Holz und Sperrmüll. Die Lebensumstände seien mittlerweile untragbar. Das "National Network for Children" fordert vor allem, dass die große Zahl an Kleinkindern samt ihren Müttern in sozialen Einrichtungen untergebracht werden sollen. Für den Rest allerdings bleibt nur zu hoffen, dass der Winter nicht allzu streng wird.

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