Russland-Krise

Schallenberg trifft ukrainischen Präsidenten

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Schallenberg mit Ressortchefs aus Tschechien und der Slowakei "als Zeichen der Solidarität" bei Außenminister Kuleba, Premier Schmyhal und Präsident Selenskyj.  

Trotz diplomatischer Bemühungen sieht Kiew weiter eine potenzielle Bedrohung angesichts des Aufmarschs russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine. "Die Lage ist unverändert, wir sehen keine Anzeichen eines Rückzugs", sagte am Dienstag Außenminister Dmytro Kuleba nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus Österreich (Alexander Schallenberg), aus der Slowakei (Ivan Korcok) und Tschechien (Jan Lipavsky) in Kiew. Diese unterstrichen unisono ihre Solidarität mit der Ukraine.

Schallenberg trifft ukrainischen Präsidenten
© BMEIA/Gruber
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Ziel Moskaus sei es, sein Land zu destabilisieren, sagte Kuleba. "Russland will keine starke Ukraine. Wir sind offen für einen Dialog, aber gewisse rote Linien könne nicht überschritten werden." Die drei - im "Slavkov-Format" angereisten - Außenminister unterstrichen in diesem Zusammenhang, dass die Ukraine freie Wahl habe, sich in Richtung Westen zu orientieren. Der tschechische Außenminister Lipavsky formulierte: "Die Ukraine muss selbst auswählen, ob sie sich der EU und der NATO anschließen will." Dies dürfe von Russland nicht infrage gestellt werden. Kuleba unterstrich, dass beispielsweise ein EU-Beitritt nach wie vor angestrebt werde. "Auch wenn wir wissen, dass das ein schwieriger Prozess ist."

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© APA/BMEIA/MICHAEL GRUBER
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Alexander Schallenberg (Österreich/ÖVP) sowie Dmytro Kuleba (Ukraine) bei einer Blumen-Niederlegung vor dem Außenministerium in Kiew an der Wand für gefallene Helden im Rahmen eines Besuches in der Ukraine.

Alexander Schallenberg (Österreich/ÖVP) sowie Dmytro Kuleba (Ukraine) bei einer Blumen-Niederlegung vor dem Außenministerium in Kiew an der Wand für gefallene Helden im Rahmen eines Besuches in der Ukraine.  

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× Alexander Schallenberg (Österreich/ÖVP) sowie Dmytro Kuleba (Ukraine) bei einer Blumen-Niederlegung vor dem Außenministerium in Kiew an der Wand für gefallene Helden im Rahmen eines Besuches in der Ukraine.

Schallenberg

Auch Schallenberg (ÖVP) sprach von einem militärischen Bedrohungspotenzial, wie es in Europa schon länger nicht mehr gegeben gewesen sei. Man dürfe das Rad der Zeit aber nicht zurückdrehen, meinte der Minister, "im 21. Jahrhundert dürfen Grenzen nicht mehr mit Panzern niedergewalzt werden". Daher werde mit dem gemeinsamen Besuch ein "zentraleuropäisches Signal" von Support und Solidarität für die Integrität der Ukraine gesetzt. "Das ist auch in unserem Interesse. Wir teilen denselben Kulturraum. Die Sicherheit und die Stabilität der Ukraine ist auch die unsere."

Zuvor hatte das Trio Ministerpräsident Denys Schmyhal getroffen, am Nachmittag stand ein Gespräch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj auf dem Programm. Die gemeinsame Reise der drei Außenminister im "Slavkov-Format" solle "die enge Verbundenheit unserer Länder mit der Ukraine" zeigen, hieß es. Das "Slavkov-" oder "Austerlitz-Format" ist eine Initiative zur Stärkung der Kooperation zwischen Österreich, Tschechien und der Slowakei. Die Drei-Länder-Gruppe war Ende Jänner 2015 in Slavkov (Austerlitz) gegründet worden - in jenem Ort in Südmähren, nach dem die legendäre Drei-Kaiser-Schlacht 1805 benannt wurde.

Österreich

Kuleba bedankte sich bei Tschechien für die Lieferung von 4.000 Artilleriegeschoßen im Wert von 1,5 Millionen Euro und zeigte Verständnis, dass Österreich als neutrales Land derartige Schritte nicht setzen könne. Er hoffe aber dennoch auf andere Hilfe, etwa wirtschaftlicher Natur.

Schallenberg unterstrich daher, dass der Ministerrat in Wien noch im Februar die Auszahlung von 2,5 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds des Außenministeriums beschließen werde. Im Rahmen des EU-Zivilschutz-Mechanismus wollte Schallenberg zudem am Dienstag noch 42 Paletten mit Hilfsmitteln übergeben, darunter fünf Diesel-Generatoren und 28 Wassertanks mit einem Fassungsvermögen von jeweils 1.000 Liter. Auch Tschechien und die Slowakei kündigten Unterstützung für das ukrainische Rote Kreuz und NGOs an.

Außenminister

Am Montag hatten die drei Außenminister die sogenannte Kontaktlinie zwischen ukrainischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten im Konfliktgebiet Donbass bei Luhansk besucht. Der Westen ist angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches in der Nähe der Ukraine alarmiert. Russland seinerseits fordert Sicherheitsgarantien dafür, dass sich die NATO nicht Richtung Osten erweitert. Das Militärbündnis hält jedoch an der Beitrittsperspektive fest. Zuletzt hatten diverse Truppenverschiebungen - sowohl von russischer als auch von US-Seite - für einen Anstieg der Unruhe gesorgt.

Zusammenarbeit

In Kiew herrscht daher derzeit überhaupt rege diplomatische Betriebsamkeit. Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock weilt aktuell ebenfalls in der Ukraine. Am Dienstag stieß auch der französische Amtskollege Jean-Yves Le Drian dazu. Er ist mit Präsident Emmanuel Macron unterwegs, der nach einem Besuch bei Russlands Präsidenten Wladimir Putin am Montag auch mit Amtskollegen Selenskyj in Kiew beraten will. Frankreich hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Am Mittwoch folgt Polens Außenminister Zbigniew Rau, aktuell auch Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Auch seitens politischer Beobachter wird das aktuelle Szenario als durchaus besorgniserregend angesehen. Selbst 2014, als Russland letztlich die Halbinsel Krim besetzte, sei die Rhetorik in Moskau nicht so aggressiv geworden, heißt es in Kiew. Dabei sei ein großer Teil der Bevölkerung auf der Krim damals auch aufgrund des Einflusses der russisch-orthodoxen Kirche tatsächlich sehr positiv gegenüber Russland eingestellt gewesen. Das sei derzeit nicht einmal in dem separatistisch verwalteten Zonen im Donbass der Fall. Daher könnten im Fall der Donbass-Gebiete etwa UNO-Peacekeeper und eine Übergangsverwaltung zum Einsatz kommen.

Allerdings dürfe auch eine potenzielle Bedrohung seitens Belarus nicht außer Acht gelassen werden. Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko agiere zunehmend wie ein "Verrückter", formulierte Anatolij Oktysjuk von der NGO Democracy House im Gespräch mit österreichischen Journalisten in Kiew. Ein Szenario könnte etwa ein von Belarus provozierter Konfliktfall sein, in dessen Folge Russland sich dann mit "Friedenstruppen" einbringt.

Auf jeden Fall sei die Ukraine für einen russischen Angriff gerüstet, meinte Oktysjuk. "Wir können sie stoppen." Eine Ansicht, die auch von Außenminister Kuleba vertreten wird. "Wir haben seit 2014 dazugelernt." Von einem neutralen Land wie Österreich erwarte sich die ukrainische Bevölkerung auch keine militärische Unterstützung, formulierte indes auch Mykola Bjeljeskow, der auch für das Nationale Institut für Strategische Studien arbeitet. Aber es sollte eine klare "makroökonomische Unterstützung" geben.

 Österreich verlegt Botschaftspersonal nicht

In Diplomatenkreisen machte am Dienstag in Kiew eine Nachricht die Runde: Angesichts des Truppenaufmarschs russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine und steigender Spannungen verlegen die USA, Kanada und Großbritannien Teile ihres Botschaftspersonals ("Non essential stuff") nach Lwiw (Lemberg), Österreich werde diesem Beispiel aber nicht folgen, stellte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) bei seinem Besuch in Kiew umgehend klar.

Gegenüber österreichischen Journalisten hielt Schallenberg fest: "Wir halten hier die Stellung, unsere Augen und Ohren bleiben in Kiew". Der Außenminister beendete am Dienstagabend seinen zweitägigen Besuch in der Ukraine, den er gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus der Slowakei (Ivan Korcok) und Tschechien (Jan Lipavsky) absolvierte.

Das Trio traf in der Hauptstadt Kiew mit Außenminister Dmytro Kuleba und Regierungschef Denys Schmyhal zusammen. Am späten Dienstagnachmittag stand auch noch ein Gespräch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj am Programm.

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