Costa Concordia

"Schettino befahl Offizieren, zu lügen"

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Überlebende fordern in Anhörung hohe Strafe für Unglücks-Kapitän.

Sieben Wochen nach der Havarie der "Costa Concordia" vor der italienischen Insel Giglio ist es in der toskanischen Stadt Grosseto am Samstag zu einem Massenandrang bei der ersten gerichtlichen Anhörung zum Unglück gekommen. Hunderte Menschen, darunter Anwälte, Experten und Überlebende, beteiligten sich an der nichtöffentlichen Vorverhandlung zur Beweissicherung, die wegen der Menschenmenge in einem Theater stattfand.

"Trottel und Krimineller"
Schmerz und Wut drückten die Überlebenden aus, die vorbildhafte Strafen für den Hauptangeklagten, Kapitän Francesco Schettino, verlangten. "Der Kapitän ist für dieses Unglück verantwortlich und muss dafür zahlen. Wir sind auch für die Todesopfer hier", sagte ein aufgebrachter Passagier vor Beginn der Anhörung. "Schettino ist ein Trottel und ein Krimineller. Wir haben alle eine dramatische Erfahrung gemacht, die wir nie vergessen werden", sagte Francesca Scaramuzzi, die mit anderen Überlebenden an der Gerichtsverhandlung teilnahm.

Der sizilianische Rechtsanwalt Giuseppe Grammatico, der sich mit seiner Frau an Bord der "Costa Concordia" befand, belastete den Kapitän und seine Offiziere. "Ich habe Schettino und weitere vier Offiziere beim Verlassen des Schiffes beobachtet. Der Kapitän ist nicht in eine Schaluppe gefallen, wie er behauptet. Viel Zeit ist vergangen, bis an Bord Alarm ausgelöst wurde. Viele Menschen hätten gerettet werden können, wenn man anders gehandelt hätte. Zum Glück habe ich nicht das getan, wozu uns das Personal aufforderte, und zwar in die Kabine zurückzukehren. So konnte ich mich retten", so Grammatico.

Kapitän nicht bei Verhandlung
Schettino, der sich unter Hausarrest in seiner Wohnung unweit von Neapel befindet, erschien nicht vor Gericht. Sein Mandant müsse um seine Sicherheit fürchten, betonte sein Verteidiger Bruno Leporatti. Auch die anderen acht Personen, gegen die noch Ermittlungen laufen, zeigten sich nicht in Grosseto. Zu ihnen zählt auch Vizekapitän Ciro Ambrosio, der Schettino gegenüber auf Distanz geht. "Mein Mandant ist der einzige Offizier, der den Anweisungen des Kapitäns getrotzt und den Befehl erteilt hat, die Schaluppen herauszuholen", sagte Ambrosios Rechtsanwalt Salvatore Catalano.

"Schettino befahl, zu lügen"
Ambrosio berichtete in Aussagen vor den ermittelnden Staatsanwälten, Schettino habe den Offizieren befohlen, die Küstenwache anzulügen und zu behaupten, dass an Bord des Schiffes alles unter Kontrolle sei. Schettino muss sich unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und wegen vorzeitigem Verlassens des Schiffs verantworten. Wegen des Unglücks laufen Ermittlungen auch gegen den österreichischen Vizepräsidenten der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere, dem Fehler bei der Koordinierung der Rettungsaktion vorgeworfen werden.

Inzwischen ist die zweite Phase der Arbeiten zum Abpumpen des Öls aus dem havarierten Schiff abgeschlossen worden. Die neun Öltanks im hinteren Teil des Schiffes wurden entleert. Bisher wurden 1.671,6 Kubikmeter Öl abgepumpt. Jetzt wollen die Experten der niederländischen Gesellschaft Smit Savage das Öl aus dem Maschinenraum holen.

Zugleich wird die Suche nach den sieben Vermissten fortgesetzt. Tauchermannschaften konnten sich Zugang zu Räumlichkeiten des Schiffes unweit der Decks 3 und 5 verschaffen, die bisher noch nicht kontrolliert worden waren. Auf dem Schiff befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks 4.229 Menschen, darunter 77 Österreicher. Bei dem Untergang der "Costa Concordia" waren 25 Menschen ums Leben gekommen.

 

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