Angst vor neuem Krieg

Dutzende Tote bei Kämpfen zwischen Aserbaidschan und Armenien

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Zwischen Aserbaidschan und Armenien im Kaukasus sind in der Nacht auf Dienstag wieder schwere Kämpfe ausgebrochen.  

Das armenische Verteidigungsministerium in Jerewan teilte mit, dass aserbaidschanische Truppen an drei Orten Stellungen mit Artillerie und großkalibrigen Waffen angegriffen hätten. Armenien teilte mit, mindestens 49 seiner Soldaten seien getötet worden. Aserbaidschan räumte ebenfalls "personelle Verluste" ein. Die EU schickte einen Vermittler in die Region.

Deeskalation gefordet

Russland, die USA und die EU zeigten sich besorgt und forderten einen sofortigen Stopp der Kampfhandlungen. EU-Sonderbeauftragter Toivo Klaar brach in die beiden Hauptstädte auf, "um die erforderliche Deeskalation zu unterstützen", wie EU-Außenbeauftragter Josep Borrell mitteilte. EU-Ratspräsident Charles Michel sei in Kontakt mit den Führungen beider Länder. Die EU wolle weiterhin ein "ehrlicher Makler" zwischen beiden Ländern sein und den Brüsseler Dialog zwischen Jerewan und Baku fortsetzen.

Der Armenien-Verbündete Russland erklärte, er habe eine Feuerpause vermittelt, die seit dem Vormittag gelte und einzuhalten sei. Doch nach aserbaidschanischen Angaben wurde gegen die Vereinbarung nur 15 Minuten nach Inkrafttreten wieder verstoßen. Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan sagte russischen Medienberichten zufolge im Parlament, die Kämpfe würden zwar mittlerweile weniger intensiv ausgefochten, sie hielten aber in einigen Gegenden noch an.

Armeniens Verteidigungsministerium warf laut russischen Nachrichtenagenturen Aserbaidschan eine "großangelegte Provokation" vor, auf die man entsprechend reagiert habe. Aserbaidschans Verteidigungsministerium erklärte wiederum, mehrere Stellungen seiner Streitkräfte seien von der armenischen Armee beschossen worden.

Streit um Bergkarabach

Paschinjan sagte, Aserbaidschan habe armenische Ortschaften angegriffen, weil es nicht über den Status von Bergkarabach verhandeln wolle. Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken streiten seit Jahrzehnten um das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Kaukasusgebiet. Völkerrechtlich gehört es zu Aserbaidschan, von dem es sich aber 1991 losgesagt hatte. Der Konflikt war 2020 in einem Krieg eskaliert, der nach sechs Wochen mit einer von Russland vermittelten Waffenruhe beendet wurde. Als Teil der Vereinbarung schickte Moskau anschließend Tausende Soldaten in die Region, um den Frieden zu überwachen.

Der erneute Ausbruch der Kämpfe schürte Sorgen, dass auf dem einstigen Gebiet der früheren Sowjetunion nach der Ukraine ein weiterer Krieg ausbrechen könnte. Russland ist im Südkaukasus einer der zentralen Machtfaktoren. Es unterhält in Armenien eine Militärbasis. Das russische Außenministerium erklärte, die erhebliche Verschlechterung der Lage im armenisch-aserbaidschanischen Grenzgebiet sei extrem besorgniserregend. Der Konflikt solle ausschließlich politisch und diplomatisch gelöst werden. Das Ministerium legte sich nicht fest, wer für die Eskalation verantwortlich zu machen sei.

Die Türkei, die zu den Unterstützern Aserbaidschans zählt, forderte Armenien dazu auf, Provokationen zu unterlassen. US-Außenminister Antony Blinken unterstrich, es gebe für den Konflikt keine militärische Lösung. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte an, die Angelegenheit vor den UNO-Sicherheitsrat zu bringen. Auch der Iran schaltete sich ein. Präsident Ebrahim Raisi telefonierte am Dienstag mit Paschinjan und rief ihn zur Deeskalation auf. Die Region könne keinen weiteren Krieg brauchen, so Raisi nach Angaben der staatlichen iranischen Agentur Irna.

Österreich fordert Rückkehr zu Gesprächen

Als "Besorgnis erregend" wertete auch das österreichische Außenministerium die Kämpfe. "Wir drängen beide Seiten dazu, sich jeglicher Handlungen zu enthalten, die zu einer weiteren Eskalation der Lage führen können", hieß es in einer am Dienstag auf Twitter publizierten Mitteilung. Wichtig sei die Rückkehr zu Gesprächen, um die Spannungen zu verringern. Österreich war in der Vergangenheit mehrmals Schauplatz von Vermittlungsgesprächen zwischen den beiden Konfliktparteien gewesen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat indessen das sofortige Ende der militärischen Eskalation gefordert. Polen als derzeitiges Vorsitzland der OSZE stehe auch weiterhin bereit, an einer dauerhaften Lösung zwischen den Konfliktparteien im Südkaukasus mitzuwirken, schrieb das polnische Außenministerium am Dienstag auf Twitter. OSZE-Generalsekretärin Helga Schmid betonte in Wien, dass weitere Todesfälle und Verletzungen vermieden werden müssten.

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