Gebäude gestürmt

Schwerer Schlag gegen Ägyptens Ex-Regime

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Demonstranten wollen die Vernichtung belastender Dokumente verhindern.

Drei Wochen nach der Entmachtung des langjährigen Staatschefs Hosni Mubarak ist in Ägypten der Kampf um hochbrisante Akten der Staatssicherheit entbrannt. Mehrere hundert Demonstranten stürmten in der Nacht auf Samstag das Hauptquartier des Geheimdienstes in der Hafenstadt Alexandria. Dabei kam es zu Straßenschlachten mit Sicherheitskräften, die Tränengas und scharfe Munition einsetzten, während die Angreifer mit Molotowcocktails vorgingen, berichtete das Internet-Portal "almasryalyoum". Mindestens ein Demonstrant wurde von einem Geschoß in die Brust getroffen und ins Krankenhaus gebracht. Erstmals seit Mubaraks Sturz stand außerdem einer seiner früheren Minister vor Gericht, der Prozess wurde jedoch auf 2. April vertagt.

Belastende Akten gerettet
Die Aktion der Demonstranten richtete sich gegen angebliche Versuche der Staatssicherheitsbehörde, belastende Akten aus der Mubarak-Ära zu vernichten, sagten Teilnehmer. Einer Gruppe von Demonstranten gelang es, in das Gebäude einzudringen und Akten zu sichern. Diese wurden der Armee übergeben. Zugleich sahen sie auch die Überreste von bereits zuvor mit dem Reißwolf vernichteten Dokumenten. Die Armee brachte die im Gebäude befindlichen Offiziere und Mitarbeiter des Staatssicherheitsamts in Sicherheit, berichteten ägyptische Medien am Samstag.

Letzte offene Forderung

Die Auflösung des Geheimdienstes und die Aufarbeitung der Rolle der Staatssicherheit während der Massenproteste in Ägypten ist eine der letzten noch offenen Forderungen der Reformbewegung. Am Vortag hatten Tausende auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo den neuen Regierungschef Essam Sharaf daran erinnert. Der Geheimdienst hatte in Ägypten in den Jahrzehnten seit der Revolution von 1952 und dem Sturz der Monarchie hauptsächlich der Unterdrückung der Bevölkerung gedient. Er betrieb - nach dem Vorbild der ehemals kommunistischen Ostblockstaaten - ein Netz von Agenten und Spitzeln, das in alle Bereiche der Gesellschaft reichte. Geheimdienstgefängnisse waren Orte schrecklicher Folterungen.

Während der Demonstrationen in Alexandria begann in Kairo der Prozess gegen den Ex-Innenminister Habib al-Adli wegen Verdachts auf Geldwäsche und Untreue. Der in eine weiße Gefängnisuniform gekleidete Adli wies die ihm zur Last gelegten Vorwürfe zu Prozessbeginn zurück. "Das ist nie passiert", wiederholte er zweimal mit ruhiger Stimme. Nach einem hitzigen Wortgefecht zwischen seinen Verteidigern und den Anwälten zivilgesellschaftlicher Parteien verschob der Richter den Prozess auf Anfang April. Die Anwälte des Ex-Ministers hatten zuvor mehr Zeit zur Durchsicht der Dokumente gefordert.

Demonstrationen
Vor dem von Sicherheitskräften und Panzern abgesicherten Gericht demonstrierten Dutzende Menschen gegen Adli. "Das Volk fordert die Hinrichtung des Mörders", rief eine Gruppe aufgebrachter Menschen mit Blick auf das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte, die Adli bis zum Umsturz unterstanden. Zwischen dem Beginn der Proteste am 25. Jänner und dem Sturz Mubaraks am 11. Februar waren mindestens 384 Menschen getötet worden.

Gegen Adli wird auch wegen des Vorgehens der Sicherheitskräfte bei den Protesten ermittelt. Er wurde eine Woche nach dem Umsturz mit anderen Vertretern der Führungsriege im Zuge von Korruptionsermittlungen festgenommen. Mehrere Vertraute Mubaraks wurden deshalb auch mit einem Ausreiseverbot und Kontensperrungen belegt. Ein Prozess steht auch Ex-Tourismusminister Soheir Garranah wegen des Verdachts auf Unterschlagung bevor.

Unterdessen wurden bei Zusammenstößen zwischen ägyptischen Muslimen und Christen mindestens zwei Menschen getötet. In einem Vorort Kairos hätten Muslime zudem eine Kirche in Brand gesteckt, sagte ein Sicherheitsvertreter. Bei einem Anschlag auf koptische Christen in Alexandria in der Neujahrsnacht waren mehr als 20 Menschen getötet worden.

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