Ex-Unionsfraktionschef Merz will laut Bericht CDU-Kandidatur bekannt geben.
Der angekündigte Verzicht der deutschen Kanzlerin Angela Merkel auf den CDU-Vorsitz erhöht auch den Druck auf CSU-Chef Horst Seehofer. Mehrere CDU-Politiker aus den Ländern fordern offen den Rückzug des Innenministers von der CSU-Spitze. Unterdessen hat Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz offiziell bekannt geben.
"Angela Merkel hat es geschafft, einen selbstbestimmten Abgang als Parteivorsitzende zu gehen, das wünsche ich auch dem Kollegen Horst Seehofer", sagte Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans der "Welt".
Brand gibt Seehofer die Schuld
Der hessische CDU-Landesgruppenchef im Bundestag, Michael Brand, machte vor allem Seehofer für das Wahldesaster der CDU/CSU in Hessen und Bayern verantwortlich. "Wer sein Ego über die Verantwortung stellt und mehr nach pathologischen als nach politischen Maßstäben agiert, darf sich nicht wundern, wenn Leute sich mit Wut und Entsetzen abwenden", sagte er der "Fuldaer Zeitung".
Seehofer selbst kündigte an, er wolle spätestens Mitte November Vorschläge zur inhaltlichen, strategischen und personellen Zukunft der CSU vorlegen. In der bayerischen Partei gibt es seit der Wahl am 14. Oktober auf praktisch allen politischen Ebenen Forderungen an Seehofer, den Vorsitz aufzugeben. Seine Amtszeit endet eigentlich Ende 2019.
Auch SPD gegen Seehofer
Beim Koalitionspartner SPD wird vor allem Seehofers Agieren als Innenminister und CSU-Chef eine Hauptschuld für das schlechte Erscheinungsbild der Regierung gegeben - Parteichefin Andrea Nahles verlangt bis Dezember eine Klärung, "wie die Union ihre inhaltlichen und personellen Konflikte so lösen will, dass die Regierungsarbeit davon nicht weiter negativ berührt wird".
Merz, der frühere Chef der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, will seine Kandidatur für den CDU-Bundesvorsitz einem Bericht zufolge am heutigen Dienstag in Berlin bekannt geben. Der 62-jährige Rechtsanwalt werde begründen, warum er im Dezember auf dem Parteitag in Hamburg die Nachfolge Merkels antreten wolle, meldet das "Handelsblatt" online unter Berufung auf Parteikreise. Ein Sprecher des früheren Merkel-Rivalen, der sich 2009 aus der aktiven Politik zurückgezogen hatte, wollte den Bericht zu Mittag zunächst nicht kommentieren.
Kandidaten formieren sich
Wie viele Kandidaten sich um Merkels Nachfolge an der Parteispitze bewerben, ist offen. Bisher haben CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn ihren Hut in den Ring geworfen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und CDU-Landeschef Armin Laschet hält sich die Entscheidung noch offen.
EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger erwartet von der CDU, dass sie Merkel nach deren Rückzug vom Parteivorsitz auf europäischer Ebene den Rücken freihält. "Wir brauchen jetzt eine Kanzlerin, die den Rücken freihat, gerade für die großen europäischen Aufgaben", sagte der CDU-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Dienstag.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht Merkel auch nach deren angekündigtem Rückzug als CDU-Vorsitzende einen Hauptgesprächspartner. "Sie und Deutschland bleiben einflussreiche Akteure des europäischen Projekts und darüber hinaus", sagt eine Sprecherin der EU-Kommission. Für Juncker ändere sich also nichts. Er habe am Montagabend mit Merkel gesprochen. Die beiden arbeiteten seit Jahrzehnten eng zusammen.
Gauland sieht in Spahn Konkurrenz
Der deutsche AfD-Chef Alexander Gauland sieht in einem möglichen CDU-Vorsitzenden Jens Spahn eine härtere Konkurrenz für seine Partei. "Wir müssen aufpassen, dass die Position von Jens Spahn uns keine Wähler abspenstig macht", sagte Gauland am Dienstag dem Sender n-tv.
Der deutsche Gesundheitsminister vertritt in vielen Bereichen dezidiert konservative Positionen in der CDU und will nach eigenen Worten "die AfD überflüssig machen".
Gauland sagte, er sehe die Personalie Spahn "sehr ambivalent". Die AfD wolle ja auch "langfristig mal Verantwortung übernehmen". Das gehe "nur mit einer gewendeten CDU", die viel mehr Positionen von Spahn habe. Wenn der Kurs der scheidenden CDU-Vorsitzenden Angela Merkel fortgesetzt werde, etwa von der bisherigen Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, "dann ist da für uns kein Raum in irgendeiner Weise".
Keine Änderungen bei SPD
Bei der SPD gibt es vorerst keine personellen Konsequenzen, Parteichefin Nahles ist erst sechs Monate im Amt. Doch nach den riesigen Verlusten in Bayern wie Hessen will Nahles das Profil schärfen. Generalsekretär Lars Klingbeil forderte nun zum Beispiel eine Maschinensteuer und eine bedingungslose Grundsicherung für Kinder. "Ich will, dass die riesigen Unternehmensgewinne, die durch Automatisierung und Roboterisierung entstehen werden, der Gesellschaft zugutekommen", schreibt er in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenportal t-online.de. Das könne zum Beispiel durch eine Besteuerung von Wertschöpfung durch Maschinen geschehen.
Merkel hatte am Montag nach den schweren Verlusten ihrer Partei bei der Landtagswahl in Hessen angekündigt, beim CDU-Parteitag im Dezember nach 18 Jahren an der Spitze nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Kanzlerin will sie aber bis 2021 bleiben - sofern die Große Koalition bis dahin hält.