Mueller-Bericht: Trump wollte Russland-Ermittlungen vereiteln.
In dem Moment, in dem Donald Trump davon erfuhr, dass das Justizministerium einen Sonderermittler eingesetzt hat, um die Russland-Affäre zu untersuchen, soll der US-Präsident auf bemerkenswerte Weise reagiert haben. Der Republikaner, so notierte es eine Mitarbeiterin des Justizministeriums, sei in seinem Stuhl zurückgefallen, und habe gesagt: "Oh mein Gott. Das ist furchtbar. Das ist das Ende meiner Präsidentschaft. Ich bin erledigt."
Fast zwei Jahre später, nach der Befragung von rund 500 Zeugen, mehreren hundert Durchsuchungsbefehlen und mehr als 30 Anklagen, hat das Justizministerium den in Teilen geschwärzten Bericht von Sonderermittler Robert Mueller veröffentlicht und Donald Trump gibt sich siegessicher. Bei einem Auftritt vor Veteranen erklärte er am Donnerstag, er habe einen guten Tag, es habe keine geheimen Absprachen seines Wahlkampfteams mit Russland gegeben und er habe auch nicht die Justiz behindert.
Vernichtendes Bild
Aber beendet dürfte die Affäre für Trump noch lange nicht sein. Mueller zeichnet in seinem detailreichen Bericht ein vernichtendes Bild von Trump. Ausführlich legt der Sonderermittler dar, wie der Präsident mehrfach versucht habe, die Untersuchung abzuwenden.
Auch die Ausführungen zu den Kontakten zwischen Trumps Wahlkampfteam und Vertretern Russlands sind nuancierter, als es das Justizministerium in seiner vierseitigen Zusammenfassung des Berichts nahelegte. Mueller und sein Team stießen auf "zahlreiche" Kontakte zwischen Trumps Wahlkampflager und Vertretern Russlands. Beweise für eine Straftat gebe es hier aber nicht.
Auch wenn sein Justizminister William Barr am Donnerstag eifrig bemüht war, den Präsidenten zu verteidigen, indem er dessen Umgang mit der Untersuchung als das Verhalten eines frustrierten Präsidenten darstellte, der durch die Ermittlungen am Regieren gehindert worden sei. Den Demokraten liefert der Bericht Einiges an neuer Munition.
Brisante Einblicke
Muellers Bericht ist reich an Einblicken in das Innenleben von Trumps Wahlkampflager und dem Weißen Haus. Man erfährt daraus etwa, dass Trumps damaliger Berater Michael Flynn und andere versuchten, verschwundene E-Mails von Trumps demokratischer Konkurrentin Hillary Clinton aufzutreiben. Oder dass Trumps Sprecherin Sarah Sanders den Ermittlern erzählte, sie habe der Presse im Zusammenhang mit der Entlassung von FBI-Chef James Comey nicht die Wahrheit gesagt.
Es ist ein solcher Wust an Informationen in dem Bericht, dass es noch dauern wird, bis sich das ganze Ausmaß greifen lässt. Vieles überrascht schon gar nicht mehr. Schließlich ist in den zwei Jahren von Trumps Präsidentschaft derart viel ins Wanken geraten, dass die Öffentlichkeit in Teilen abgestumpft ist. Unter normalen Umständen hätte vieles aus dem Bericht das Zeug zum Skandal, aber in Trumps Amerika ist nichts mehr normal.
Mueller kommt zu dem Schluss, dass die russische Regierung der Meinung gewesen sei, dass sie von einem Wahlsieg Trumps profitieren würde und dass sie deswegen auf dieses Ergebnis hingearbeitet habe. Trumps Wahlkampflager wiederum habe die Ansicht vertreten, dass es von gestohlenen Informationen der Demokraten profitieren könne, die durch Russlands Bemühungen öffentlich geworden seien. Aber Mueller betont, dass die Ermittlungen keine Absprachen zwischen beiden Seiten über die russische Einmischung auf den Wahlkampf gezeigt hätten und dass es keine ausreichenden Belege zum Nachweis einer Straftat gebe.
Mehrere Kontakte
Der Sonderermittler listet mehrere Kontakte zwischen Mitarbeitern aus Trumps Wahlkampfteam und Vertretern Russlands auf und legt dar, dass Moskau sich schon im Sommer 2015 für Trump interessiert habe - also kurz nachdem dieser seine Präsidentschaftsbewerbung bekannt gab. Unmittelbar nach Trumps Wahlsieg hätten russische Regierungsvertreter und Geschäftsleute versucht, sich Zugang zur neuen Regierung zu verschaffen. Mueller beschreibt dabei etwa die Telefonate zwischen Trumps Berater Flynn und dem damaligen russischen Botschafter, Sergej Kisljak, über Sanktionen der Obama-Regierung gegen Moskau und Flynns Bitte, Moskau solle nicht zu Gegenmaßnahmen greifen.
Bei der zweiten großen Ermittlungsfrage fällt die Antwort nicht eindeutig aus. In dem Bericht sind diverse Versuche von Trump aufgelistet, Einfluss auf die Russland-Untersuchungen zu nehmen. Diese hätten vor allem deswegen keinen Erfolg gehabt, "weil Personen aus dem Umfeld des Präsidenten sich weigerten, Anweisungen auszuführen oder seinen Aufforderung zu folgen", schreibt Mueller.
Ein Beispiel: Trump versuchte laut Bericht nach Muellers Ernennung als Sonderermittler mehrfach, dessen Abzug zu erzwingen. Mitte Juni 2017 etwa habe Trump seinen damaligen Rechtsbeistand Donald McGahn zu Hause angerufen und ihm gesagt, er möge wiederum den Justizminister anrufen und diesem sagen, dass Mueller befangen sei und deshalb abgelöst werden müsse. McGahn sei der Anweisung nicht gefolgt. Als das Ganze 2018 in einem Medienbericht öffentlich wurde, habe Trump intern Druck gemacht, McGahn müsse die Unterhaltung öffentlich bestreiten. Der Präsident habe sowohl über Mitarbeiter als auch über ein direktes Gespräch versucht, McGahn dazu zu drängen - ohne Erfolg.
Da wäre also ein Präsident, dessen Anweisungen nicht umgesetzt werden, weil die eigenen Mitarbeiter die Rechtmäßigkeit oder moralische Legitimität der Ansagen anzweifeln? Das spricht Bände über Trumps Weißes Haus. Aber sind diese Einflussversuche als Behinderung der Justiz zu werten? Mueller lässt das offen. "Während dieser Bericht nicht zu dem Schluss kommt, dass der Präsident eine Straftat begangen hat, entlastet er ihn auch nicht", schreiben er und sein Team. Vor allem hier dürften nun die Demokraten im Kongress ansetzen.
Trump sieht sich entlastet
Der Präsident sah sich schon durch die vierseitige Zusammenfassung des Justizministeriums zu dem Bericht vollständig entlastet und auch nach der Veröffentlichung des Berichts bleibt er dabei. Tatsächlich war es aber Justizminister Barr, nicht Mueller, der ihn in der Frage der Justizbehinderung reinwusch. Barr argumentierte, nachdem Mueller in dieser Frage keine rechtliche Schlussfolgerung gezogen habe, sei es an ihm als Minister gewesen, das zu tun, und er sei zu dem Schluss gekommen, dass Muellers Untersuchungen keine Beweise zutage gefördert hätten, die Trump eine Straftat nachweisen würden.
Trump reichte das, um sich zum Sieger zu erklären. Kaum ein Tag verging, an dem der Präsident sich nicht zum Opfer einer Schmierenkampagne der Demokraten und Medien stilisierte. Er sprach von einem "versuchten Coup" und "dreckigen Polizisten", verlangte eine Untersuchung zu dem Beginn der FBI-Ermittlung, warf der Bundespolizei korruptes Verhalten vor. "Es war der Versuch, einen Präsidenten zu stürzen. Und wir haben sie geschlagen", erklärte er etwa vor Journalisten. Das Kalkül dahinter war offensichtlich, dieses Narrativ so oft zu wiederholen, bis es verfängt, und darauf zu hoffen, dass viele Menschen sich eh nicht durch den Bericht kämpfen werden. Die nächsten Tage werden zeigen, ob ihm das gelingt.