Angriff auf Rebellen

Syrische Armee startet Offensive in Homs

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Bodentruppen sind in die Rebellen-Hochburg eingedrungen.

Die syrische Armee hat ihre Angriffe auf die seit Wochen unter Beschuss stehende Rebellenhochburg Homs deutlich ausgeweitet. Wie am Mittwoch aus Sicherheitskreisen in Damaskus verlautete, startete die Armee am Dienstagabend eine Bodenoffensive im Viertel Baba Amro. Die USA bemühten sich derweil nach Angaben von UN-Diplomaten um einen neuen Entwurf für eine Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat.

Der Bereich von Baba Amro sei "unter Kontrolle", sagte ein Vertreter der syrischen Sicherheitsbehörden. "Die Armee hat bereits eine Säuberung Block für Block, Haus für Haus vorgenommen, und jetzt durchforsten die Soldaten jeden Keller und jeden Tunnel auf der Suche nach Waffen und Terroristen", erklärte der Beamte. Es gebe "nur noch einige wenige Widerstandsnester".

Seit drei Wochen unter Beschuss

Homs steht seit mehr als drei Wochen unter Beschuss. Aktivisten hatten zuvor von einer Verstärkung der Regierungstruppen durch eine Eliteeinheit der gefürchteten vierten Armeedivision des Generals Maher al-Assad berichtet, was vermuten lasse, dass der "finale Angriff" auf Homs bevorstehe. Nach Angaben der aus Deserteuren bestehenden Freien Syrischen Armee ist die Stadt komplett von der Außenwelt abgeriegelt.

   Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von Kämpfen zwischen Armee und Deserteuren in Baba Amro sowie von Explosionen und Schüssen in weiteren Stadtteilen. Der Aktivist Hadi Abdallah vom Syrischen Revolutionsausschuss (SRGC) sagte, neben Baba Amr seien auch die Stadtteile Khaldije und al-Bayyada bombardiert worden. Als Folge des Beschusses sei der Strom ausgefallen, hieß es auf der Facebookseite "Syrian Revolution 2011".

Geheimtunnel

Am Vortag habe die Armee einen Geheimtunnel der Rebellen entdeckt und zerstört, der Baba Amro mit einem nahegelegenen Dorf verband und die einzige Verbindung der eingeschlossenen Menschen zur Außenwelt gewesen sei, sagte Abdallah. Bei dem Tunnel habe es sich um eine 2700 Meter lange Wasserleitung gehandelt; sie sei genutzt worden, um Medikamente und Nahrungsmittel zu liefern und Verletzte aus der Stadt zu bringen.

 Nachdem bereits zwei UN-Resolutionen zu Syrien am Widerstand der Veto-Mächte Russland und China gescheitert sind, bereiteten die USA laut UN-Diplomaten einen neuen Entwurf vor. Im Mittelpunkt des Textes stehe die humanitäre Hilfe für die von der syrischen Armee belagerten Städte, womit der Westen hoffe, Russland und China davon überzeugen zu können, eine Resolution nicht erneut zu blockieren.

 Gegen die beiden zuletzt vorgelegten Resolutionsentwürfe hatten die beiden ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats ihr Veto mit der Begründung eingelegt, darin werde nur die Gewalt der syrischen Sicherheitskräfte, aber nicht die der Rebellen verurteilt.

 Kofi Annan vermittelt
Auf der Suche nach einer Lösung für den Syrien-Konflikt reist der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan zu Konsultationen in den Nahen Osten. Der kürzlich zum Sonderbeauftragten der UNO und der Arabischen Liga für Syrien berufene Spitzendiplomat werde am Freitag zunächst in Kairo erwartet, teilte die UNO am Mittwoch in Genf mit.

 Dort will Annan mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, über seine Mission sprechen. Anschließend werde er "andere Länder der Region" besuchen. Einzelheiten dazu wurden nicht genannt. Vor seiner Nahost-Reise führt Annan Gespräche mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und Vertretern mehrerer Staaten in New York.

Die Regierung in Damaskus machte derweil klar, dass sie Annans Rolle als Syrien-Sonderbeauftragter infrage stellt. Der Sprecher des Außenministeriums, Dschihad al-Makdissi, sagte Reportern, Annan habe nach seiner Ernennung mit Außenminister Walid al-Muallie telefoniert. Dieser habe ihn aufgefordert, "schriftlich zu konkretisieren", worin genau seine Aufgabe bestehe.

Journalisten in Gefahr
Eine Rettungsaktion für zwei in Homs verletzte Journalisten aus dem Westen ist nach Angaben syrischer Deserteure missglückt, weil die Truppen des Regimes davon erfahren hatten. "Sie hatten offensichtlich Wind davon bekommen, wann und wie die Aktion ablaufen sollte", sagte ein mutmaßliches Mitglied der sogenannten Freien Syrischen Armee am Mittwoch dem arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera.

Die Truppen von Präsident Bashar al-Assad hätten die Deserteure, die mit dem britischen Fotografen Paul Conroy und der französischen Reporterin Edith Bouvier in der Nacht zum Dienstag in Richtung libanesische Grenze unterwegs waren, mit Artilleriegeschützen angegriffen, berichtete das mutmaßliche Armee-Mitglied weiter.

Dabei seien zwei Deserteure getötet worden. Ein Teil der Gruppe habe mit Conroy die Grenze erreicht. Ein anderer Teil habe Bouvier, die wegen einer Beinverletzung nicht laufen kann, zurück nach Homs gebracht.

Der Sprecher des syrischen Außenministeriums, Jihad al-Makdissi, sagte dazu am Dienstag vor der Presse in Damaskus: "Die Bewaffneten in der Stadt Homs haben in den vergangenen Tagen dreimal vergeblich versucht, die verletzten ausländischen Journalisten und die Leichen der getöteten Journalisten herauszubringen." Bei den Verhandlungen mit den syrischen Behörden habe man gefordert, dass Diplomatenfahrzeuge die Ausländer aus Homs herausholen. Dies sei von den Behörden jedoch abgelehnt worden.

Sarkozy korrigiert sich
Nachdem Conroys Vater am Dienstag die Ankunft seines Sohnes in Beirut betätigt hatte, hatte der französische Präsident Nicolas Sarkozy zunächst erklärt, auch Bouvier sei in den Libanon gebracht worden. Diese Angaben hatte er später korrigiert.

Eine unabhängige Bestätigung für Berichte aus Syrien ist wegen der Medienblockade des Regimes oft nicht möglich. Aktivisten hatten vor einigen Tagen erklärt, die ausländischen Journalisten wollten Homs nicht in Fahrzeugen des syrischen Roten Halbmondes verlassen, weil sie befürchteten, dann den Behörden übergeben zu werden.

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