Trotz Gerichts-Watsche:

Johnson will Parlament wieder in Pause schicken

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Déjà-vu-Erlebnis in London: Eine von Johnson angeordnete fünfwöchige Zwangspause des Parlaments hatte das Oberste Gericht des Landes Ende September für 'illegal' erklärt.

London. Der britische Premierminister Boris Johnson will das Parlament in London ab Dienstag neuerlich in eine Zwangspause schicken. Johnson wolle die Sitzungen vom 8. Oktober bis zu einer Rede der Queen zum Regierungsprogramm am 14. Oktober aussetzen, teilte Downing Street am Mittwochabend mit.

Eine von Johnson angeordnete fünfwöchige Zwangspause des Parlaments hatte das Oberste Gericht des Landes Ende September für "illegal" erklärt.

 

Laut Downing Street "kürzestmögliche Zeit" vor Queen-Rede

Die nun geplante einwöchige Pause sei "die kürzestmögliche Zeit", um "alle notwendigen logistischen Vorkehrungen" für die Rede von Königin Elizabeth II. zu treffen, teilte das Büro des Premierministers mit. Die Königin verliest traditionell das Regierungsprogramm des Premierministers.
 
Johnson will den Austritt aus der Europäischen Union zum 31. Oktober notfalls auch ohne Abkommen umzusetzen. Das wurde ihm vom Parlament per Gesetz verboten, worauf er die Abgeordneten am 10. September in die umstrittene Zwangspause schickte, die nach seinem Willen bis zum 14. Oktober dauern sollte. Das Oberste Gericht gab aber zwei Klagen statt, die dem Premierminister vorwarfen, das Parlament gezielt ausschalten zu wollen. Das Unterhaus trat daraufhin umgehend wieder zusammen.
 

Johnsons Brexit-Vorschlag: Nordirland soll enger an EU rücken

Der britische Premierminister Boris Johnson macht neue Vorschläge zur Vermeidung von Grenzkontrollen zwischen Irland und dem britischen Nordirland nach dem Brexit. Damit will er die von der EU favorisierte Notfalllösung für die Grenzfrage, den sogenannten Backstop, überflüssig machen.
 
Der Backstop geht wesentlich weiter. Er sieht vor, dass Nordirland de facto im EU-Binnenmarkt bleibt. Oberste Prämisse für London und Brüssel ist es, einen Wiederaufbau der Grenz- und Zollanlagen um jeden Preis vermeiden. Bisher liegen die britischen Vorschläge nicht im Detail vor, sondern lediglich sieben Seiten Erläuterungen.
 

Einheitliche Regulierung. Kernpunkt des Johnson-Pakets ist der Vorschlag, auf der gesamten irischen Insel in bestimmten Bereichen des Handels einheitliche Regeln zu schaffen. Praktisch würde das etwa bedeuten, dass Lebensmittel, Agrarprodukte und Nutztiere aus Nordirland weiter EU-Regeln unterliegen. Nur so können sie problemlos nach Irland und damit in den Rest der Union exportiert werden. Gleiches soll für verarbeitete Güter gelten.


Handel. Johnson kommt der EU beim Handel entgegen. Zwar müssten seinem Plan zufolge Güter, die von der britischen Insel nach Nordirland gebracht werden, künftig bei den Behörden angemeldet und durch sie überprüft werden. Auf dem Weg von Irland über die Grenze nach Norden soll das aber nicht der Fall sein. Die Behörden sollen von jeder Güterbewegung durch eine Mitteilung wissen.

Aufsicht. Aus Sicht von London wäre es problematisch, wenn Nordirland sich künftig an Regeln halten müsste, die das britische Parlament nicht beeinflussen kann. Um dieses "Demokratie-Defizit" auszugleichen, müssen die Betroffenen in Nordirland regelmäßig entscheiden können. Deshalb sollen das nordirische Parlament und die Regierung dort am Ende der Brexit-Übergangsperiode - die bis Ende 2020 geht - und danach alle vier Jahre zustimmen. Ansonsten wird die Regelangleichung ungültig.
 
Die Möglichkeit für die Briten, einseitig aus dem Deal auszusteigen, wird der EU gar nicht gefallen. Die von der EU angestrebte Ausstiegslösung im Brexit-Vertrag war da wesentlich schärfer. Es gebe "einige problematische Punkte", die noch der Klärung bedürften, insbesondere was Aufsicht und Kontrolle des Backstops angehe, erklärte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einer ersten Einschätzung.
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