Der künftige militärische Status der Ukraine ist ein wichtiger Punkt in den Gesprächen zwischen Kiew und Moskau zur Beendigung des russischen Angriffskrieges auf das Nachbarland.
Nachdem Russland zunächst eine Demilitarisierung der Ukraine gefordert hatte, brachte es am Dienstag eine Neutralität als möglichen "Kompromiss" ins Spiel. Derzeit ist die Ukraine bündnisfrei, kooperiert militärisch aber eng mit den Staaten der NATO-Allianz. Ein Überblick:
NEUTRALITÄT - Als neutral werden Staaten bezeichnet, die möglichst in allen internationalen Konflikten eine solche Rolle einnehmen wollen. Unvereinbar mit dem Neutralitätsstatus ist die Mitgliedschaft in Verteidigungsbündnissen, die Stationierung fremder Truppen auf dem eigenen Staatsgebiet und auch die Gewährung von Durchmarsch- oder Überflugsrechten. Die Rechte und Pflichten neutraler Staaten wurden bereits in den Haager Friedenskonferenzen im Jahr 1899 und 1907 festgelegt. Demnach müssen sich neutrale Staaten schon in Friedenszeiten so verhalten, dass sie keine der potenziellen Streitparteien bevorzugen. Österreich erklärte im Jahr 1955 per Verfassungsgesetz seine immerwährende Neutralität. Die Verteidigungsbereitschaft neutraler Staaten unterscheidet sich stark. So hat etwa die Schweiz als traditionsreichster neutraler Staat Europas eine vergleichsweise starke Armee und konnte sich so aus beiden Weltkriegen heraushalten. Belgiens Neutralität wurde hingegen in keinem der Kriege respektiert, obwohl sie bei der Staatsgründung im Jahr 1830 von den damaligen europäischen Großmächten garantiert worden war.
BÜNDNISFREIHEIT - Staaten, die mit anderen Staaten keine Vereinbarung über militärischen Beistand im Angriffsfall geschlossen haben, gelten als bündnisfrei. Auf dem Papier haben diese Staaten den größten verteidigungspolitischen Spielraum, weil sie sich weder neutral verhalten müssen noch anderen Staaten Beistand leisten. Als bündnisfrei definieren sich etwa auch die beiden früheren neutralen Staaten Schweden und Finnland, aber etwa auch Serbien, China, Indien oder Mexiko. Sie sind in ihrer Handlungsfähigkeit nicht den Beschränkungen neutraler Staaten unterworfen und können etwa an Militäreinsätzen mitwirken, Waffen an Kriegsparteien liefern und sich auch von anderen Staaten militärisch unterstützen lassen. In der Zwischenkriegszeit war auch die Republik Österreich bündnisfrei.
ENTMILITARISIERUNG - Der Verzicht auf eine eigene Armee kann freiwillig oder unfreiwillig erfolgen. So leisten sich Kleinstaaten wie Island, Andorra oder Panama keine eigenen Streitkräfte, haben dafür aber Schutzmächte bzw. gehören Verteidigungsbündnissen an. Davon zu unterscheiden ist die erzwungene Demilitarisierung von besiegten Kriegsgegnern bzw. zur Konfliktverhütung. So sah der Friedensvertrag von St. Germain für die Republik Österreich nach dem Ersten Weltkrieg vor, dass dieses nur ein Berufsheer von maximal 30.000 Mann haben durfte. Dieses sollte nur als Ordnungskraft im Inneren eingesetzt werden. Die allgemeine Wehrpflicht wurde verboten, Rüstungsfabriken und Waffen mussten zerstört werden. Ähnliche Bedingungen wurden damals auch dem ebenfalls besiegten Deutschland diktiert. Auch der Unabhängigkeitsplan für die frühere südserbische Provinz Kosovo sah eine Streitkräftebeschränkung vor. Die Armee des jüngsten Staates Europas darf demnach nur 5.000 Soldaten und 2.500 Reservisten haben, für die Sicherheit des Landes sorgt eine von der NATO geführte internationalen Friedenstruppe (KFOR).