Europa unterdessen an einer gemeinsamen Energiepolitik arbeiten, um keine russische Versorgung mehr zu brauchen.
London/Kiew/Moskau. Der britische Premier Boris Johnson warnt vor einer Eskalation des Kriegs in der Ukraine. "(Russlands Präsident Wladimir) Putin wird jetzt noch härter zuschlagen, weil er keinen Weg aus der Sackgasse sieht als die Zerstörung, das In-Schutt-und-Asche-Legen von unschuldigen europäischen Städten", sagte Johnson im Interview der "Welt am Sonntag". Johnson schloss zudem eine von der Ukraine ins Spiel gebrachte Flugverbotszone aus.
"Die Logik ist, dass russische Flugzeuge abgeschossen werden. Und man sich damit in einer Logik der Konfrontation verfängt." Russland müsse vielmehr zur Zusammenarbeit gebracht werden.
Eine militärische Kooperation mit der Europäischen Union lehnt Johnson trotz des Ukraine-Kriegs ab. "Die NATO ist für diese Situation das Format. Sie hat Kommandostrukturen, denen sich britische Truppen unterstellen können, die sich koordinieren. Das Vereinigte Königreich würde keine Alternativen ausloten wollen zu etwas, das bereits existiert, das funktioniert und klare Linien hat", sagte Johnson.
Europa müsse unterdessen an einer gemeinsamen Energiepolitik arbeiten, um keine russische Versorgung mehr zu brauchen. "Wir brauchen eine gemeinsame europäische Strategie, um von dieser Abhängigkeit wegzukommen", sagte Johnson. Dazu werde es einen Zeitplan geben, ein Programm. "Es gibt andere Quellen, in Nordamerika, Kanada und der Golfregion. Wege, gemeinsam mehr erneuerbare Energien zu erzeugen."
Ukraine wirft russischen Soldaten Vergewaltigungen vor
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat russischen Soldaten vorgeworfen, in ukrainischen Städten Vergewaltigungen begangen zu haben. Kuleba liefert allerdings keine Beweise, und Reuters kann die Äußerungen nicht unabhängig überprüfen.
"Wenn Bomben auf Ihre Städte fallen, wenn Soldaten Frauen in den besetzten Städten vergewaltigen - und wir haben leider zahlreiche Fälle, in denen russische Soldaten Frauen in ukrainischen Städten vergewaltigen -, ist es natürlich schwierig, über die Wirksamkeit des Völkerrechts zu sprechen," sagte Kuleba bei einer digitalen Veranstaltung im Chatham House in London. Das Völkerrecht sei aber das einzige Werkzeug der Zivilisation, um sicherzustellen, dass alle, die diesen Krieg ermöglicht hätten, schließlich vor Gericht gestellt würden.
NATO-Chef: "Russland hat Streubomben verwendet"
Die NATO wirft Russland den Einsatz von Streubomben in der Ukraine vor. Es gebe zudem Berichte über die Verwendung weiterer Waffen durch Russland, die gegen internationales Recht verstießen, sagt Generalsekretär Jens Stoltenberg. Streubomben bestehen aus einer Vielzahl kleinerer Bomben. Sie können in Städten eingesetzt verheerende Folgen für die Bewohner haben. Über Hundert Staaten haben diesen Waffentyp geächtet.
NATO-Chef: Die nächsten Tage werden noch schlimmer
Die NATO hat Forderungen nach der Durchsetzung einer Flugverbotszone über der Ukraine eine klare Absage erteilt. Die NATO werde nicht in den Krieg eingreifen, weder zu Land noch in der Luft, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach Beratungen der Außenminister des Bündnisses in Brüssel. "Die NATO will keinen Krieg mit Russland", betonte der Norweger. Zuvor hatten sich bereits führende Vertreter der Allianzstaaten ähnlich geäußert.
"Die kommenden Tage werden wahrscheinlich noch schlimmer sein, mit mehr Tod, mehr Leid und mehr Zerstörung", sagte der frühere norwegische Regierungschef. Die russischen Streitkräfte setzten schwerere Waffen ein und setzten ihre Angriffe im ganzen Land fort. Schon jetzt seien in dem russischen Angriffskrieg viele Zivilisten getötet oder verletzt worden. Stoltenberg sprach von der schlimmsten militärischen Aggression in Europa seit Jahrzehnten.
NATO erwägt erhebliche Aufrüstung im Osten
Die NATO-Staaten haben in Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Beratungen über eine weitreichende Aufrüstung im östlichen Bündnisgebiet begonnen. "Wir erwägen nun ernsthaft eine erhebliche Verstärkung unserer Präsenz - mit mehr Truppen, mit mehr Luftverteidigung, mehr Abschreckung", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag in Brüssel nach einem Treffen der AußenministerInnen der Bündnisstaaten. Details dazu seien bei einem Treffen der Verteidigungsminister am 16. März zu erwarten.
Russen kreisen Kiew ein
Russische Truppen setzen nach ukrainischen Armeeangaben ihren Vormarsch auf die Hauptstadt Kiew fort. "Die Hauptanstrengungen der Besatzer konzentrieren sich auf die Einkreisung Kiews", heißt es im Morgenbericht der ukrainischen Armee. Es wurden zunächst keine Angaben zu Kämpfen rund um die Millionenstadt gemacht. Ein russischer Vorstoß auf die Hafenstadt Mykolajiw wurde laut Olexij Arestowytsch, dem Berater des ukrainischen Präsidenten, gestoppt.
Nach Angaben eines Reuters-Reportes waren am Freitag in Kiew mehrere Explosionen in schneller Reihenfolge zu hören. Sirenen warnen vor einem Angriff. Der genaue Ort der Explosionen konnte zunächst nicht lokalisiert werden.
Kiew löste seit Mitternacht mehrfach Luftalarm aus. Die Bewohner sollten sich in Luftschutzbunkern in Sicherheit bringen.
Verteidigungsminister Olexij Resnikow berichtete, dass die ukrainische Marine ihr Flaggschiff "Hetman Sahajdatschnyj" selbst versenkt habe, damit es nicht den Gegnern in die Hände falle. Die Fregatte lag zur Reparatur vor Anker.
Rückzug von Flugplatz Hostomel
Laut ukrainischer Darstellung sollen sich russische Truppen von dem strategisch wichtigen Flugplatz Hostomel nordwestlich von Kiew zurückgezogen haben. Die südukrainische Hafenstadt Mariupol sei inzwischen komplett eingeschlossen. "Der Feind hatte einen erheblichen technischen Vorteil", hieß es. Zudem sei das Flugabwehrsystem an der Schwarzmeer-Küste angegriffen worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Die ukrainischen Streitkräfte haben nach britischen Angaben weiterhin die Kontrolle über Mariupol im Südosten des Landes. Sie sei aber wohl von russischen Truppen eingekreist, teilt das britische Verteidigungsministerium auf Basis eines neuen geheimdienstlichen Lageberichts laut Reuters mit. Die zivile Infrastruktur sei weiterhin intensivem Beschuss durch das russische Militär ausgesetzt.
Nach Angaben von Verteidigungsminister Resnikow halten ukrainische Kräfte an strategisch wichtigen Orten den Angreifern Stand, etwa in den nordostukrainischen Gebieten Sumy und Tschernihiw. "Der Feind ist verwirrt und eingeschüchtert", schrieb Resnikow bei Facebook. Die ukrainischen Streitkräfte hätten ungeheure Mengen an Militärtechnik und Waffen erbeutet sowie mehr als 10.000 russische Soldaten getötet, behauptete er. Der Generalstab hatte kurz davor noch von gut 9.100 getöteten Gegnern gesprochen.
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