Ukraine-Krise

Russland kontrolliert nun ein Fünftel der Ukraine

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In der Ukraine dauert der Krieg seit nunmehr hundert Tagen an und die russischen Streitkräfte kontrollieren inzwischen ein Fünftel des Landes.

"Rund 20 Prozent unseres Territoriums sind nun unter Kontrolle der Besatzer", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Im Osten des Landes werde die Lage immer schwieriger: "Wir verlieren täglich 60 bis 100 Soldaten." Seit Beginn des Krieges wurden tausende Menschen getötet und Millionen Ukrainer in die Flucht getrieben.

Das nun von Russland in der Ukraine kontrollierte Territorium sei bei weitem größer als die Fläche aller Benelux-Staaten zusammen, sagte Selenskyj am Donnerstag in einer Ansprache vor dem Parlament in Luxemburg. Das Gebiet umfasse fast 125.000 Quadratkilometer, vor dem 24. Februar seien es gut 43.000 Quadratkilometer gewesen.

In der strategisch wichtigen Stadt Sjewjerodonezk in der Region Luhansk kontrollieren die russischen Streitkräfte mittlerweile "80 Prozent der Stadt", wie der Regionalgouverneur Serhij Gajdaj in der Nacht auf Donnerstag mitteilte. Ukrainische Soldaten halten sich noch im Industriegebiet der Stadt verschanzt.

Auch nach britischer Einschätzung übernahmen russische Truppen mittlerweile den Großteil von Sjewjerodonezk. Unterstützt von heftigen Artillerieangriffen machten die Streitkräfte örtliche Geländegewinne, teilte das Verteidigungsministerium in London am Donnerstag mit. Sie erlitten aber auch schwere Verluste. Die Hauptstraße in die Stadt hinein werde vermutlich noch von der Ukraine gehalten, hieß es unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse.

Sollte die Stadt vollständig in die Hände der russischen Streitkräfte fallen, hätten diese de facto die Kontrolle über die gesamte Region Luhansk. Der ukrainische Armeechef Walerij Saluschnyj erklärte, in Luhansk seien seine Soldaten mit der derzeit "schwierigsten Situation" konfrontiert. "Der Feind hat einen operativen Vorteil in Bezug auf die Artillerie", sagte er in einem Telefonat mit dem französischen Generalstabschef Thierry Burkhard. Seiner Ansicht nach sollten die ukrainischen Truppen "so schnell wie möglich" auf Waffentypen der NATO umgestellt werden. "Das würde Leben retten", sagte Saluschnyj.

Die Ukraine hofft dabei auf die kürzlich von den USA zugesagten Mehrfachraketenwerfer, die über eine größere Reichweite und Präzision verfügen. Auch Deutschland will der Ukraine bis Ende Juni vier Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II liefern.

Auch andere Regionen meldeten in der Nacht auf Donnerstag und in der Früh mehrere Luft- und Raketenangriffe. "Vier feindliche Marschflugkörper wurden abgefeuert. Sie wurden vom Schwarzen Meer aus abgeschossen", sagte der Chef der Militärverwaltung im westukrainischen Lwiw, Maxym Kosytzkyj, am Donnerstag auf Telegram. Explosionen waren in der Früh auch in der Hafenstadt Odessa zu hören.

In Charkiw wurde laut Behörden eine Frau getötet und eine weitere Person verletzt. Zuvor war seitens der Ukraine von mindestens vier getöteten Zivilisten und zehn Verletzten im Osten und Nordosten von Sjewjerodonezk die Rede gewesen. Die russischen Streitkräfte schossen zudem nach eigenen Angaben einen ukrainischen Kampfjet vom Typ Su-25 in der Schwarzmeer-Region Mykolajiw ab. Kathpress berichtete am Donnerstag, dass bei Gefechten in Swjatohirsk in einem orthodoxen Kloster mindestens drei Menschen ums Leben kamen.

Die russischen Truppen im Osten der Ukraine versuchen nach Angaben des Gouverneurs der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, nun weiter nach Süden vorzurücken. Sie wollten zu den vom ukrainischen Militär kontrollierten Städten Kramatorsk und Slowiansk vordringen - das seien die Schlüsselziele im Norden der Region Donezk. Die Fronten bei den Städten Lyman und Isjum seien die Hauptrichtungen. Kramatorsk ist seit 2014 de facto die Hauptstadt der Region Donezk, nachdem die gleichnamige Stadt von den von Russland unterstützten Separatisten eingenommen wurde.

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