Gemeinsamer Besuch mit Amtskollegen aus Tschechien und der Slowakei in Chișinău.
Chisinau. Knapp zwei Monate nach ihrem Besuch der ukrainischen Frontlinie sind die Außenminister Österreichs, Tschechiens und der Slowakei wieder in die Nähe des Konfliktgebiets gereist. Alexander Schallenberg (ÖVP), Jan Lipavský und Ivan Korčok stärkten am Freitag in Chișinău der Republik Moldau den Rücken, die sich durch die russische Aggression in der benachbarten Ukraine massiv bedroht fühlt. Schallenberg kündigte dabei österreichische Millionenhilfen für die Ex-Sowjetrepublik an.
"Ihr seid nicht allein und ihr könnt euch auf unsere Solidarität verlassen", betonte Schallenberg bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinen Amtskollegen und dem moldauischen Außenminister Nicu Popescu. "Die Führung in Moskau richtet ihre Augen nicht nur auf die Ukraine. Sie richtet ihre Augen auch auf andere Länder wie Moldau", warnte Schallenberg. Wie seine Amtskollegen bekannte er sich klar zur territorialen Integrität der Ex-Sowjetrepublik und betonte seine Unterstützung auf dem Weg in die EU.
"Wir sind nicht mit leeren Händen gekommen"
"Wir sind nicht mit leeren Händen gekommen", so Schallenberg. Österreich werde heuer fünf Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe im Land zur Verfügung stellen. Das Geld solle aus jener Sonderdotierung des Auslandskatastrophenfonds (AKF) kommen, die von der Bundesregierung als Verdoppelung der privaten Spenden im Rahmen der Aktion "Nachbar in Not" angekündigt worden war. Wie es aus dem Außenministerium ergänzend hieß, soll der Ministerratsbeschluss noch im April erfolgen.
Zudem soll das österreichische Entwicklungshilfebudget für Moldau 2022 von drei auf fünf Millionen Euro erhöht werden. Der Fokus liege dabei auf der Abfederung von Preissteigerungen und Lieferkettenausfällen in der Landwirtschaft infolge des Ukraine-Krieges. Moldau ist seit 2004 ein Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, zwischen 1995 und 2020 sind 62 Millionen Euro an EZA-Geldern in das Land geflossen.
Massive Energiepreissteigerungen
Moldau hatte schon vor dem Krieg mit massiven Energiepreissteigerungen zu kämpfen, auch aufgrund von russischem Druck erhöhte sich der Gaspreis innerhalb eines Jahres um 135 Prozent, wie aus Informationen des Außenministeriums hervorgeht. Zudem droht der russische Gasmonopolist Gazprom, die Lieferungen mit 1. Mai komplett einzustellen. Moskau hat auch die Hand auf dem moldauischen Stromschalter, stammen doch 80 Prozent des im Land verbrauchten Stroms aus einem Kraftwerk im russlandfreundlichen Separatistengebiet Transnistrien, das am linken Ufer des Flusses Dnister direkt an der ukrainischen Grenze liegt. Es wird befürchtet, dass die dort stationierten russischen Soldaten im Ukraine-Krieg eingesetzt werden könnten.
Moldau ist zudem stark durch die Fluchtbewegung infolge des Krieges belastet. Nach UNO-Angaben sind bis Ende März fast 390.000 Personen aus der Ukraine in das westliche Nachbarland geflüchtet, knapp 100.000 blieben dort. Das entspricht rund vier Prozent der Bevölkerungsgröße des Landes. Österreich hat Moldau angeboten, bis zu 2.000 Flüchtlinge zu übernehmen. In drei Flügen wurden bereits 313 Menschen ausgeflogen, der nächste Flug mit etwa 110 Personen soll am Samstag starten.
Besuch bei Flüchtlingszentrum
Nach Gesprächen mit Präsidentin Maia Sandu und Ministerpräsidentin Natalia Gavrilița wollten die drei Außenminister am Nachmittag auch ein Flüchtlingszentrum besuchen und mit ukrainischen Familien sprechen. Schallenberg wird in Chișinău auch Mitglieder des österreichischen Krisenunterstützungsteams (sechs Experten des Außenministeriums, des Einsatzkommandos Cobra und des Jagdkommandos) treffen, die seit knapp zwei Wochen in Moldau tätig sind.
Die russische Aggression gegenüber der Ukraine wird in Moldau mit besonderer Sorge verfolgt. Ähnlich wie sein östliches Nachbarland hat sich nämlich auch Moldau für einen pro-europäischen Kurs entschieden, der Russland nicht behagt. Die EU hat sich allerdings zurückhaltend auf den Anfang März eingebrachten Beitrittsantrag Moldaus geäußert. "Wir begrüßen das starke Engagement für Reformen und die Annäherung von Moldau an die EU. Österreich ist bereit, sie auf diesem Weg zu unterstützen", betonte man im Vorfeld der Reise im Wiener Außenamt.
"Slavkov"-Format
Österreich stärkt mit der gemeinsamen Reise auch seine Kooperation im jungen "Slavkov"-Format. Dieses geht auf ein Treffen der Regierungschefs Tschechiens, der Slowakei und Österreichs im Jänner 2015 im südmährischen Slavkov (Austerlitz) zurück. Hintergrund waren auch außenpolitische Differenzen zwischen den beiden österreichischen Nachbarländern und ihren traditionellen Bündnispartnern Polen und Ungarn infolge der Krim-Annexion Anfang 2014. Die Gräben innerhalb der Visegrad-Gruppe (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) haben sich rund um den Ukraine-Krieg weiter vertieft. Weil Ungarn nicht von seinem russlandfreundlichen Kurs ablassen will, suchen Polen, Tschechien und die Slowakei verstärkt die Kooperation mit anderen Staaten der Region. So reisten die Premiers Tschechiens und der Slowakei Mitte März gemeinsam mit ihrem slowenischen Kollegen zu einem Solidaritätsbesuch nach Polen. Das "Slavkov"-Trio um Schallenberg war Anfang Februar in der Ukraine gewesen, zwei Wochen vor Kriegsausbruch.