Von Deutschland erwarten wir Leopard 2

Ukrainischer Regierungschef fordert deutsche Kampfpanzer

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''Wir benötigen einen Wandel in der Philosophie der Waffenlieferungen. Damit meine ich: Es sollten auch moderne Kampfpanzer geliefert werden'', sagte Schmyhal.

Kiew (Kyjiw)/Moskau/Berlin. Vor seinem Deutschlandbesuch hat der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal von der Bundesregierung Kampfpanzer zur Abwehr des russischen Angriffs gefordert. "Wir benötigen einen Wandel in der Philosophie der Waffenlieferungen. Damit meine ich: Es sollten auch moderne Kampfpanzer geliefert werden", sagte Schmyhal in einem Interview mit der dpa. "Wir erwarten von den USA, dass sie uns ihre Abrams-Panzer liefern, und von Deutschland erwarten wir Leopard 2."

Das seien "die modernen Panzer, die die Ukraine auf dem Schlachtfeld braucht". Schmyhal forderte von der deutschen Regierung auch mehr Luftabwehrsysteme sowie weitere finanzielle Hilfe, neue Sanktionen gegen Russland und eine Einstufung russischer Kriegsverbrechen als Völkermord. Außerdem widersprach er der Einschätzung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Verantwortung für den Krieg alleine trage. "Leider ist das nicht nur der Krieg von Putin", sagte Schmyhal. "Es ist unmöglich, die Russen in gute und schlechte Russen zu unterteilen."

Schmyhal wird in Berlin erwartet

Schmyhal wird am Samstag in Berlin erwartet. Am Sonntag wird er von Bundeskanzler Olaf Scholz im Kanzleramt empfangen. Er ist der höchstrangige ukrainische Politiker, der Berlin seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor gut einem halben Jahr besucht.

Der Ärger der Ukrainer über zögerliche Waffenlieferungen aus Deutschland in den ersten Kriegsmonaten hat sich inzwischen gelegt. "Deutschland hat einen immensen Fortschritt gemacht, was die Unterstützung der Ukraine mit Waffen angeht", sagte Schmyhal. Am Anfang seien nur Schutzausrüstungen oder Helme geliefert worden, heute seien es modernste Waffen.

Die deutsche Regierung hat der Ukraine insgesamt Waffen im Wert von 724 Millionen Euro zugesagt, der größte Teil davon ist schon geliefert - darunter auch einiges an schweren Waffen: Zehn schwere Artilleriegeschütze vom Typ Panzerhaubitze 2000, 15 Flugabwehrpanzer, drei Mehrfachraketenwerfer und drei Bergepanzer. Schmyhal bedankte sich zwar dafür, sagte aber auch: "Es ist aber natürlich unser Wunsch, noch mehr Waffen und Ausrüstung möglichst schnell zu erhalten."

Direkte Lieferung für Kanzler Scholz weiterhin Tabu

Die direkte Lieferung von Kampf- und Schützenpanzern ist für Kanzler Scholz weiterhin ein Tabu. Auch kein anderer Nato-Staat hat bisher solche Waffensysteme an die Ukraine abgegeben. Spanien hat allerdings Leopard-2-Panzer aus deutscher Produktion angeboten. Schmyhal würde die Leoparden gerne auch direkt aus dem Herstellerland Deutschland erhalten. Unterstützung erhielt er von CDU-Chef Friedrich Merz: "Wir sollten auch in dieser Hinsicht der Ukraine helfen, damit sie in der Lage sind, die russische Aggression zurückzudrängen", sagte der Oppositionsführer.

Auf der Wunschliste der Ukraine steht noch mehr als die Kampfpanzer. Schmyhal hob die modernen Luftverteidigungssysteme vom Typ Iris-T hervor. Die Bundesregierung hat vier Exemplare zugesagt. Die Ukraine benötigt laut Schmyhal aber zwölf, also dreimal so viele.

Der ukrainische Regierungschef setzt auch große Hoffnungen in Deutschland, was finanzielle Hilfe angeht. "Wir erwarten von Kanzler Scholz auch eine Führungsrolle, was weitere Hilfen des Internationalen Währungsfonds oder der EU-Kommission angeht. Ohne internationale Unterstützung läuft die Wirtschaft der Ukraine Gefahr, in eine Hyperinflation zu geraten."

Schmyhal: "Wir stehen für die Freiheit ein"

Die Menschen in Deutschland rief Schmyhal auf, das eigentliche Kriegsgeschehen in der Ukraine bei allen eigenen Problemen mit den Kriegsfolgen nicht aus den Augen zu verlieren. "Wir stehen für die Freiheit ein. Ich glaube nicht, dass man müde werden kann vom Kampf für die Freiheit", sagte er. "Wir sind alle im Visier dieses Regimes. Wir müssen zusammenstehen und zusammen kämpfen für Freiheit in Europa."

Schmyhal wünscht sich eine schärfere Verurteilung russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine. "Es ist russische Politik, zielgerichtet Zivilisten in der Ukraine zu töten, nur weil sie Ukrainer sind. Das bezeichnet man als Völkermord", sagte er. "Wir erwarten von unseren Partnern, auch von Deutschland, dass sie sich unserer Einschätzung anschließen." Das ukrainische Parlament hatte die Gräueltaten der russischen Armee in den Kiewer Vororten Butscha, Borodjanka, Irpin oder anderswo bereits im April offiziell als "Völkermord" eingestuft.

Schmyhal wird von Bundespräsident Steinmeier empfangen

Schmyhal wird am Sonntag auch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen. Da könnte es auch um Reisepläne in die andere Richtung gehen. Ein Kiew-Besuch Steinmeiers war im April geplatzt. Der Ministerpräsident geht davon aus, dass er demnächst nachgeholt wird. "Wir erwarten einen Besuch Steinmeiers in Kiew auf Einladung von Präsident (Wolodymyr) Selenskyj", sagte er.

Steinmeier wollte Kiew im April zusammen mit den Staatspräsidenten Polens, Lettlands, Litauens und Estlands besuchen. Die ukrainische Regierung lehnte einen Besuch Steinmeiers nach Angaben von deutscher Seite jedoch kurzfristig ab. Selenskyj erklärte, keine offiziellen Anfragen des Bundespräsidenten für einen Besuch erhalten zu haben.

Ob Selenskyj in absehbarer ins Ausland reisen und dann vielleicht auch Deutschland besuchen wird, wollte Schmyhal nicht sagen. "Selenskyj ist der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee in einem Krieg. Nur er kann entscheiden, wann es Sinn macht, Besuche außerhalb des Landes abzustatten."

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