Während der Zugreise von Brüssel in die ukrainische Hauptstadt sagte sie Reportern, ihre wichtigste Botschaft an den Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei, dass es einen Weg für die Ukraine in die EU gebe.
Kiew (Kyjiw)/Moskau/Brüssel. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sind am Freitag in Kiew angekommen. Während der Zugreise von Brüssel in die ukrainische Hauptstadt sagte sie Reportern, ihre wichtigste Botschaft an den Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei, dass es einen Weg für die Ukraine in die EU gebe. Von der Leyen wollte in Kiew auch die kriegsbedingt vor sechs Wochen geschlossene EU-Vertretung wieder eröffnen.
Von der Leyen ist die erste westliche Spitzenpolitikerin, die seit Bekanntwerden der Kriegsgräuel im Kiewer Vorort Butscha die Ukraine besucht. Mitte März waren schon die Regierungschefs Polens, Sloweniens und Tschechiens dort. Vergangene Woche besuchte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola Kiew. Für die nächsten Tage hat auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) einen Besuch in Kiew angekündigt.
"Normalerweise dauert es Jahre"
"Normalerweise dauert es Jahre, bis der EU-Rat den Antrag auf Mitgliedschaft annimmt, aber die Ukraine hat das in ein oder zwei Wochen geschafft", sagte sie. "Unser Ziel ist es, den Antrag der Ukraine noch in diesem Sommer dem Rat vorzulegen."
An Bord des Zuges war auch EU-Botschafter Matti Maasikos. Er wird seine Arbeit in der ukrainischen Hauptstadt mit einem kleinen Team wieder aufnehmen. Die EU-Vertretung war einen Tag nach Kriegsbeginn komplett evakuiert worden, ein Kernteam arbeitete fortan von Rzeszow in Südpolen aus.
Die Reise und die Rückkehr des Botschafters solle zeigen, "dass die Ukraine existiert, dass es da eine Hauptstadt gibt, eine Regierung gibt und Vertretungen anderer Länder". Das Land sei noch immer unter der Kontrolle der Ukrainer, sagte Borrell. Mit Blick auf die Zugfahrt durch das Land sagte der Spanier: "Man hat nicht das Gefühl, im Krieg zu sein." Er kündigte zudem an, 7,5 Millionen Euro für die Ermittlungen zur Verfügung zu stellen, die die Ukraine nach den Kriegsverbrechen in dem Kiewer Vorort Butscha und an anderen Orten durchführt.
Militärische EU-Unterstützung
Bei dem Besuch in Kiew soll Borrell zufolge auch darüber beraten werden, wie vor allem die militärische EU-Unterstützung für die Ukraine im Kampf gegen Russland besser gesteuert werden könne. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die EU-Staaten seinem Vorschlag in den kommenden Tagen zustimmen, der Ukraine zusätzliche 500 Millionen Euro zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte in ihrem Kampf gegen die russische Armee bereitzustellen. Damit würden sich die zur Verfügung stehenden Mittel auf 1,5 Milliarden Euro erhöhen.
Kurzfristige Einschränkungen der Einfuhren von Gas aus Russland in die EU wären nach Einschätzung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell nicht nur für Deutschland eine große Herausforderung. "Die Leute sagen: Oh, es ist Deutschland. Nein, es ist nicht nur ein deutsches Problem, denn die deutsche Wirtschaft ist sehr stark mit der europäischen Wirtschaft verflochten", sagte Borrell am Freitag auf der Zugfahrt nach Kiew. Etwas, das in einem Land geschehe, habe unmittelbare Auswirkungen auf andere Länder.
Öl-Embargo wird heftig diskutiert
In der EU wird derzeit heftig diskutiert, in welchem Umfang und welchem Tempo die Einfuhr russischer Energie wegen des Kriegs gestoppt werden sollte. Schätzungen des Ökonomen Simone Tagliapietra von der Denkfabrik Bruegel zufolge gibt die EU derzeit täglich 15 Millionen Euro für Kohle, etwa 400 Millionen Euro für Gas sowie 450 Millionen Euro für Öl aus Russland aus.
Mit Blick auf den Besuch in Kiew und die Energiefrage sagte Borrell: "Das ist der große Elefant im Raum." Die EU-Staaten haben zwar gerade erst einen Importstopp für Kohle mit viermonatiger Übergangszeit beschlossen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte jedoch umgehend härtere Maßnahmen.
Borrell bekräftigte auf der Fahrt nach Kiew, dass ein Öl-Embargo wohl früher kommen werde als ein Gas-Embargo. Auch Österreich ist zu rund 80 seiner Gasreserven aus Russland abhängig und lehnt ein solches Embargo bisher ab. Beim EU-Außenministertreffen am Montag werde das Thema der Energie-Sanktionen auf dem Tisch liegen.