Möglicherweise erst in ein paar Wochen

Vorerst kein Durchbruch bei geplantem EU-Öl-Embargo gegen Russland

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Estnische Ministerpräsidentin rechnet mit Einigung erst in Wochen - Selenskyj drängt EU zu Einigkeit - Orban fordert Garantien.

Den 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ist es bis zum späten Montagabend nicht gelungen, sich auf ein Öl-Embargo gegen Russland zu verständigen. Es sei realistischer, eine Einigung erst in ein paar Wochen zu erwarten, sagte die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas. Dies könne auch erst der Fall beim nächsten EU-Gipfel am 23. und 24. Juni der Fall sein.

Nach einem noch nicht vollendeten Entwurf für das dann sechste Sanktionspaket sollen die Importe russischen Öls über Häfen gestoppt werden. Die Öl-Importe über eine Pipeline nach Ungarn, die Slowakei und Tschechien sollen erst später beendet werden. Ungarn bremste dennoch. Aus Diplomatenkreisen hieß es zuvor, eine Einigung sei "möglich".

Zu Beginn des Gipfels richtete sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky an die EU-Chefs. In seiner knapp zehnminütigen Botschaft mahnte er die Union zur Einigkeit und einem raschen Beschluss des sechsten Sanktionspakets. "Es ist Zeit für Sie, nicht einzeln zu handeln, sondern gemeinsam", meinte Selenskyj. "Warum hängen Sie von Russland ab und vom russischen Druck, und warum ist das nicht umgekehrt", so der ukrainische Präsident in Anspielung auf die Abhängigkeit der europäischen Staaten von russischen Gas- und Öllieferungen.

Nehammer auf einer Linie mit Ungarn

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban forderte noch am Nachmittag Garantien für eine Zustimmung zu einem Kompromiss. Zwar sei der Ansatz, Öllieferungen über Pipelines auszunehmen, "gut", aber Ungarn brauche Garantien für den Fall, dass die Pipeline blockiert werde, sagte Orban beim Eintreffen im Ratsgebäude. Der EU-Kommission warf er "unverantwortliches Verhalten" vor: "Zuerst brauchen wir Lösungen, dann Sanktionen."

Ähnlich kritisch gegenüber der EU-Kommission äußerte sich auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Er monierte, dass die Brüsseler Behörde einen Vorschlag präsentiert habe statt zuerst zu verhandeln. Nehammer zeigte Verständnis für die "Sorgen" Ungarns und wies darauf hin, dass Österreich stark von russischem Gas abhängig sei.

Auch der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala forderte mehr Rücksichtnahme auf die Sorgen einzelner Staaten. "Wir können es einfach nicht zulassen, dass bestimmte Erdölprodukte bei uns fehlen werden", sagte der konservative Politiker am Montag in Prag vor seinem Abflug nach Brüssel. Der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger, dessen Land ebenfalls von russischem Pipeline-Öl abhängig ist, rief seinen ungarischen Amtskollegen jedoch zum Einlenken auf. Heger berichtete auf Twitter, dass er Orban vor Gipfelbeginn im Ratsgebäude auf dessen Wunsch getroffen habe. Alle drei Länder werden vor allem über die Druschba-Pipeline mit russischem Öl versorgt.

Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen glaubt nicht an eine schnelle Lösung des Streits. Es sei wichtig, dass ein Embargo niemanden in der EU unfair belaste, sagte sie. "Und genau diese Frage haben wir noch nicht gelöst." Ihren Angaben zufolge gibt es verschiedene Lösungsideen, aber noch keine gemeinsame Position. Die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Kompromiss beim Gipfel gebe, sei nicht sehr hoch, sagte sie. Zugleich rief von der Leyen, die EU-Länder zu Geschlossenheit auf. "Wir haben einen Schlüssel zum Erfolg, und dieser ist Solidarität mit der Ukraine und die Einigkeit der Europäischen Union", sagte sie. EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich hingegen optimistisch, eine Einigung zu finden.

   Nach Angaben eines Diplomaten gibt es eine grundsätzliche Einigung auf ein Embargo. Demnach soll dieses in zwei Schritten greifen: zunächst nur für Schiffslieferungen und zu einem späteren Zeitpunkt auch für Pipeline-Öl. "Aber es ist verfrüht, jetzt ein Datum festzulegen", sagte der Diplomat weiter. Es müsse auf spezifische Bedürfnisse einzelner Länder eingegangen werden.

   Ein weiterer EU-Diplomat zeigte sich zurückhaltender. Es sei unklar, ob Orban dem vorliegenden Kompromiss zustimmen werde. Offen sei auch die Frage nach der Versorgung mit Öl über den nördlichen Teil der Druschba-Pipeline, über den Österreich, Polen und Deutschland den Rohstoff beziehen. Österreich kommt jedoch eigenen Angaben zufolge seit März ohne russisches Öl aus.

   Deutschland und Polen bekräftigten vor dem Gipfel ihren Willen, bis zum Ende des Jahres einen Importstopp für russisches Öl zu verhängen. Dies gelte auch dann, wenn die EU mit Blick auf Ungarn und weitere Staaten Ausnahmen beim geplanten Ölembargo zulasse, hieß es aus Diplomatenkreisen in Brüssel. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich zuversichtlich, dass das Ölembargo zustande kommt: "Alles, was ich höre, klingt danach, als ob es einen Konsens geben könnte", sagte er. "Und früher oder später wird es den dann auch geben." Alle arbeiteten konstruktiv und mit dem Willen, sich zu einigen.

   Das geplante neue Strafpaket gegen Moskau, das sechste seit Beginn des Ukraine-Krieges Ende Februar, umfasst außerdem Sanktionen gegen weitere Kreml-nahe Persönlichkeiten, darunter das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, und die ehemalige Turnerin Alina Kabajewa, der enge Verbindungen zu Präsident Wladimir Putin nachgesagt werden. Auch der Ausschluss von drei russischen Banken aus dem internationalen Finanzsystem SWIFT, darunter mit der Sberbank das größte Kreditinstitut des Landes, liegt auf dem Tisch.

   Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte sich vor Gipfelbeginn zuversichtlich gezeigt, dass eine Übereinkunft auf ein Ölembargo gegen Russland möglich ist. Es habe am Sonntagnachmittag und Montagmorgen harte Gespräche gegeben, sagt Borrell dem Sender France Info. Bis Nachmittag könne eine Einigung stehen. Sollte keine Einigung erreicht werden, könnte auch das gesamte Sanktionspaket verschoben werden.

   Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, forderte am Montag daher ein Ölembargo zur Not auch ohne Ungarn. "Wenn Ungarn nicht bereit ist, die Blockade aufzugeben, muss es möglich sein, den Langsamsten zurückzulassen, damit der Rest der EU vorangehen kann", sagte Weber den Sendern RTL und ntv. Orban dürfe der EU "nicht auf der Nase herumtanzen". Sanktionen müssten an sich von den 27 EU-Staaten einstimmig beschlossen werden.
 

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