Der Politikwissenschafter Reinhard Heinisch sieht in Ex-Präsident Donald Trump den Verlierer der Zwischenwahlen.
"Für Donald Trump war es eine extrem schlechte Nacht", sagte Heinisch am Mittwoch in der Früh im APA-Interview. Trump sei durch die Unterstützung extremer Kandidaten mitverantwortlich dafür, dass die Republikaner den Senat nicht erobern konnten. Zugleich habe sich sein Widersacher Ron DeSantis bei der Gouverneurswahl in Florida überraschend klar durchgesetzt.
Trump habe sich bei der Aufstellung der republikanischen Senatskandidaten über den Fraktionsführer seiner Partei in der mächtigeren US-Parlamentskammer, Mitch McConnell, hinweggesetzt. Dieser habe im Vorfeld der Wahl Kritik an Kandidaten wie etwa Herschel Walker in Georgia geübt und gemeint: "Wenn wir verlieren, ist es die Schuld von Donald Trump." Dies sei nun eingetreten.
Erfolg für DeSantis
In Florida habe hingegen Gouverneur DeSantis "mit zweistelligen Werten" gegen den demokratischen Ex-Gouverneur Charlie Crist gewonnen. "Das zeigt, dass dieser Art der Republikaner eher die Zukunft gehört als dem Trumpismus", sagte der Politikwissenschafter der Universität Salzburg, der viele Jahre an der Universität Pittsburgh im US-Schlüsselstaat Pennsylvania geforscht und gelehrt hatte.
Für die Demokraten von US-Präsident Joe Biden sieht Heinisch "das Glas halb voll und halb leer". Sie würden das Ergebnis als Bestätigung sehen, dass es bei der Zwischenwahl um grundlegende Fragen wie die Verteidigung der Demokratie gegangen sei. "In diesem Umfeld hätten die Republikaner eigentlich einen Erdrutsch haben müssen", sagte Heinisch unter Verweis auf die schlechten Wirtschaftsdaten und die geringen Beliebtheitswerte Bidens. Zudem habe die Partei des jeweiligen Präsidenten bei früheren Zwischenwahlen im Durchschnitt 26 Sitze verloren. Die Republikaner hätten aber nur wenige Sitze zugelegt und würden künftig eine "sehr dünne Mehrheit" im Repräsentantenhaus haben. Den Senat hätten die Demokraten Bidens "deutlicher als erwartet" halten können.
Der Wermutstropfen für die Demokraten sei, dass der bisherige Swing State Florida "mit Bomben und Granaten an die Republikaner verloren ging". Grund dafür sei das Wahlverhalten der Latinos gewesen, ebenso wie in Texas. "Die Demokraten konnten Alarmzeichen, die sich schon seit Jahren zeigten, nicht interpretieren", so Heinisch mit Blick auf das Abwandern der traditionell demokratischen Wählerschicht zu den Republikanern. Auch in Nevada hätten die Republikaner versucht, Latinos direkt mit der Thematisierung von wirtschaftlichen Fragen wie der Inflation anzusprechen, um die gefährdete demokratische Senatorin Catherine Cortez Masto aus dem Amt zu drängen.
Besorgnis
Heinisch äußerte sich besorgt um die Zukunft der US-Demokratie. Deren Problem sei, dass eine der beiden Parteien "so grenzwertig demokratisch ist und immer die andere gewinnen muss". Zudem sei das extrem rechte Lager innerhalb der republikanischen Abgeordneten von 60 auf voraussichtlich 100 angewachsen. Der Politikwissenschafter verwies zugleich auf eine Berechnung der "New York Times", wonach bei den Wahlen am Dienstag auf verschiedenen Ebenen 300 Personen gewählt worden seien, die Verschwörungstheorien rund um die von Trump 2020 verlorene Wahl anhängen.
Die weitere politische Entwicklung hänge davon ab, welche Lehren die Republikaner aus dem Wahlergebnis ziehen und ob sich das gemäßigte oder radikalere Lager durchsetzt. Trump selbst werde wohl auf eine "Jetzt-erst-Recht-Strategie" setzen "und schauen, wie weit er damit kommt". Angesichts der knappen Mehrheit im Abgeordnetenhaus könnte es aber sein, dass gemäßigte Republikaner diesen Kurs nicht mittragen und abspringen. Interessant werde auch sein, ob der voraussichtliche künftige Parlamentspräsident Kevin McCarthy einen von Trump unabhängigen Kurs führen wird können.
Trump selbst hat Spekulationen genährt, dass er kommende Woche eine erneute Präsidentschaftskandidatur ankündigen wird. Diesbezüglich schließt Heinisch weder einen Konflikt noch eine Einigung mit DeSantis aus. Der Gouverneur von Florida könnte etwa zurückstecken, wenn ihm Trump für die übernächste Wahl eine Unterstützung zusagt. Doch auch Trump könnte sich hinter DeSantis stellen und den Verzicht etwa gesundheitlich begründen.
Von einer Kandidatur Trumps hänge auch ab, wie sich die Demokraten vor der Wahl 2024 positionieren, so Heinisch. Trete Trump an, werde auch Biden noch einmal kandidieren müssen, weil die Demokraten sonst niemanden aufbieten könnten, um das Weiße Haus zu halten. Hingegen würden sie eine Wahl von DeSantis eher akzeptieren. "Die Sorge um die Demokratie hängt an der Person Trump", betonte Heinisch.
(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)