Der Prozess wird nun nach den grausamen Morden an drei Christen in der Türkei fortgesetzt. Die Polizei geriet wegen Ermittlungsfehler ins Zwielicht.
Wegen des Mordes an einem deutschen und zwei türkischen Christen müssen sich in der südosttürkischen Stadt Malatya erneut sieben Angeklagte seit Montag vor Gericht verantworten.
Verteidigung forderte mehr Zeit
Türkische Medien berichteten,
die Anwälte der Beschuldigten hätten vor dem zweiten Verhandlungstag mehr
Zeit für die Verteidigung gefordert. Der Prozess findet unter scharfen
Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Täter sollen aus
religiös-nationalistischen Motiven gehandelt haben.
Grausame Christenmorde
Die Täter hatten am 18. April 2007 in
Malatya den 46-jährigen Deutschen Tilmann Geske und zwei zum Christentum
übergetretene Türken, Necati Aydin und Ugur Yüksel, auf besonders grausame
Weise umgebracht. Die Opfer waren in den Räumen eines kleinen Bibelverlages
an Stühle gefesselt und mit Messern gefoltert worden, bevor ihnen die Kehlen
durchgeschnitten wurden.
Ungereimtheiten bei Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft forderte
für die fünf Hauptverdächtigen lebenslange Haftstrafen. Die türkische Presse
berichtet seit Wochen über zahlreiche Ungereimtheiten bei den Ermittlungen
der Behörden in dem Fall. Der mutmaßliche Haupttäter hatte nach Aussagen
eines Mitangeklagten vor den Morden enge Beziehungen zur Polizei in Malatya.
Polizei ermittelte nicht Verbrechen, sondern Missionstätigkeit
Die
Anklageschrift sorgte für Schlagzeilen, weil die Staatsanwaltschaft nach
Aussage der Opfer-Anwälte wesentlich genauer auf die Tätigkeit christlicher
Missionare in der Türkei einging als auf das Verbrechen. Christliche
Missionstätigkeit ist in der Türkei nicht verboten, wird aber von
Nationalisten und vielen Behördenvertretern mit großem Argwohn betrachtet.
2006 hatte ein Jugendlicher den katholischen Priester Andrea Santoro in der
Schwarzmeerstadt Trabzon (Trapezunt) erschossen.
Die Europäische Kommission hat von der Türkei das Ende der Benachteiligung nicht-muslimischer Religionsgemeinschaften verlangt.
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Türkei ist für christliche Priester gefährliches Pflaster geworden
Nicht nur die Ermordung der Christen, die vor Gericht behandelt wird, deutet auf die Probleme der Christen in überwiegend islamischen Türkei. Ein 22-jähriger Extremist wurde wegen eines geplanten Anschlags auf einen türkisch-protestantischen Pastor festgenommen.
Pastor hatte Glück
Der türkisch-protestantische Pastor
Ramazan Arkan hat Glück gehabt. Ein Metallsuchgerät seiner Gemeinde und
Ermittlungen der Polizei haben zum Jahreswechsel in Antalya einen
Mordanschlag auf ihn verhindert. Polizisten nahmen in der Stadt einen
22-jährigen Extremisten fest, der schon ein Attentat geplant hatte. Es wäre
die jüngste Tat einer Serie von häufiger werdenden Anschlägen gewesen.
Metalldetektor vereitelte Attentat
Arkan, der einer kleinen
Gemeinde von 150 Gläubigen vorsteht, lebt und arbeitet nun vorerst unter
Polizeischutz. Etwa 3000 türkische Protestanten gibt es im ganzen Land. "Der
Mann hatte mich angerufen, um über den christlichen Glauben zu sprechen. Ich
lud ihn ein. Er kam dann am 24. Dezember", sagt der Pfarrer. "Erst wollte er
auf mich warten. Aber dann sah er das Metallsuchgerät am Eingang. Da änderte
er seine Pläne." Fast gleichzeitig schickte die Polizei in Antalya
Leibwächter für den Pastor, der erst nach einigen Tagen erfuhr, dass ein
Anschlag auf ihn verhindert worden war.
Bereits mehrere Attentate auf Christen
Die Türkei wird für
christliche Priester zunehmend ein gefährliches Pflaster. Viele Türken waren
schockiert, als ein 16-Jähriger Anfang 2006 in der türkischen
Schwarzmeer-Stadt Trabzon den italienischen Priester Andrea Santoro beim
Gebet in der Kirche hinterrücks erschoss. Der Mörder aber durfte wenig
später in der Haft mit der türkischen Nationalflagge für "Heldenfotos" mit
Polizisten posieren, wie türkische Zeitungen berichteten. Offensichtlich
sympathisierten die Beamten mit der Tat.
Im Juli 2006 stach ein Mann in der türkischen Hafenstadt Samsun auf den französischen Geistlichen Pierre Brunissen ein. Im April 2007 wurden ein deutscher und zwei türkische Christen in der südosttürkischen Stadt Malatya gefoltert und ermordet. Im folgenden Monat kamen zwei Priester aus Georgien vergleichsweise glimpflich davon. Sie gingen mit auffälligen Kreuzanhängern auf einen Markt in Artvin im Osten des Landes und wurden verprügelt. Ein Messerstecher verletzte im Dezember in Izmir einen aus Italien stammenden Priester. Der 19-jährige gab vor, zum Christentum übertreten zu wollen.
Attentäter: Hass als Motiv
Der verhinderte Attentäter von
Antalya gab Hass auf den ihm persönlich nicht bekannten Pastor als Motiv
vor. Christliche Priester und Missionare stehen bei Nationalisten im
Verdacht, "Verräter" und "ausländische Agenten" zu sein, die die Türkei
spalten wollen. Der in Antalya Festgenommene sagte zudem, er sei durch die
umstrittene TV-Serie "Kurtlar Vadisi" (Tal der Wölfe) beeinflusst. Die Filme
verkochen nationalistische Gefühle, Gewalt und Verschwörungstheorien zu
einer Suppe, die wöchentlich Vorurteile bedient.
Türkische Justiz klärt Hintergründe auf
Wie bei
dem Mord in Malatya sind die Täter fast immer junge, extremistische
Nationalisten. Unter Vorwänden suchen sie Kontakt zu christlichen Gemeinden,
bevor sie zuschlagen. Einige Täter hatten zumindest engere Kontakte in den
Sicherheitsapparat oder traten so auf, als würden sie von Hintermännern
gedeckt. Türkische Medien kritisieren, dass die türkische Justiz die
Hintergründe der Taten nicht ausreichend aufgeklärt hat.