Ein unscheinbares Moos stellt die Raumfahrt auf den Kopf: Eine Studie aus Japan zeigt, dass die Sporen einer weit verbreiteten Moosart extreme Bedingungen im All besser überstehen als manche der berühmtesten Überlebenskünstler – sogar besser als die legendären Bärtierchen.
Die Erkenntnis könnte Auswirkungen darauf haben, wie künftige Missionen Mond- und Marsbasen planen.
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Ein Team um den Biologen Tomomichi Fujita von der Hokkaido University hat Proben des Kleinen Blasenmützenmooses (Physcomitrium patens) fast neun Monate lang an der Außenhülle der Internationalen Raumstation ISS dem freien Weltraum ausgesetzt. Dort traf die Pflanze auf alles, was Leben normalerweise sofort zerstört: Vakuum, kosmische Strahlung, harte UV-C-Strahlung und enorme Temperaturschwankungen.
Die Forschenden hatten kaum Hoffnung, dass nach 283 Tagen überhaupt etwas zurückkehrt, das noch als lebendig zu bezeichnen wäre. Doch nach der Landung im Januar 2023 wartete eine Überraschung. Über 80 Prozent der Moossporen überlebten – und ließen sich im Labor wieder zum Keimen bringen. „Wir erwarteten fast null Überleben, aber das Ergebnis war das Gegenteil“, sagte Fujita gegenüber Space.com.
Nur die Sporen überstehen das All
Die Studie zeigt allerdings deutlich: Überlebt hat nicht die Pflanze, sondern ihr widerstandsfähigster Teil.
Ausgewachsene Moospflänzchen oder junge Triebe verbrannten unter der UV-Strahlung oder trockneten schlicht aus. Überlebensfähig waren nur die Sporen in ihrer schützenden Kapsel, dem Sporangium – eine Art natürlicher Mini-Raumanzug, der die DNA vor Strahlung abschirmt.
In dieser Form überstehen sie offenbar UV-Dosen, die sogar über den Toleranzwerten von Bärtierchen liegen. Während Tardigraden berühmt für ihre Extremtoleranz im Vakuum sind, scheinen die Moossporen in ihrer Kapsel die mikroskopischen Tiere bei der UV-Strahlung zu übertreffen.
Nicht ohne Schäden – aber regenerationsfähig
Ganz spurlos blieben die Strapazen allerdings nicht. Die Proben wiesen nach ihrer Rückkehr einen um rund 20 Prozent reduzierten Chlorophyll-a-Gehalt auf, was auf Belastungen der photosynthetischen Systeme hinweist. Dennoch konnten die Sporen sich vollständig regenerieren.
Ein mathematisches Modell, das die Forschenden aus den Daten entwickelten, kommt zu einer spektakulären Prognose: Bis zu 5.600 Tage – rund 15 Jahre – könnten die Sporen im All überstehen. Eine theoretische Zahl, aber sie zeigt das immense Potenzial dieser Organismen.
Was das für Mond- und Marsmissionen bedeutet
Für die Raumfahrt eröffnet die Studie ein neues Kapitel. Moose sind auf der Erde Pionierpflanzen, die selbst karge Böden erstmalig besiedeln. Sollten eines Tages Basen auf Mond oder Mars errichtet werden, könnten widerstandsfähige Moosarten helfen, aus sterilem Regolith nutzbare Böden aufzubauen oder langfristig Sauerstoff zu erzeugen.
Noch ist unklar, ob die Pflanzen unter Mars-Bedingungen tatsächlich wachsen, Photosynthese betreiben und einen vollständigen Lebenszyklus durchlaufen könnten. Das ISS-Experiment zeigt aber: Der erste Schritt ist möglich.
Bis jedoch tatsächlich ein grüner Fleck auf dem Roten Planeten entsteht, wird es noch Jahre dauern. Die Moossporen der Hokkaido University haben aber gezeigt, dass das Leben selbst dort bestehen kann, wo bisher nur Staub und Strahlung herrschen.