Maddies Eltern haben Portugal verlassen - sie sind nun in England. Der Fall Madeleine ist der Staatsanwaltschaft in Portugal übergeben.
Die portugiesische Polizei übergibt den Fall Madeleine an die Staatsanwaltschaft. Die Dokumente, die eine mögliche Verwicklung der Eltern in den Vermisstenfall behandeln, sind noch am Montag dem portugiesischen Staatsanwalt Jose Cunha de Magalhaes e Meneses vorgelegt worden, teilte Polizeisprecher Olegario Sousa in Portugal mit.
McCanns bald vor dem Ermittlungsrichter?
Die Anklagebehörde muss
jetzt entscheiden, ob Kate und Gerry McCann beschuldigt werden. Die
Staatsanwaltschaft muss auch beurteilen, ob die Verdachtsmomente ausreichen,
die McCanns vor einen Ermittlungsrichter zu zitieren. Beide waren am
Wochenende offiziell als Verdächtige benannt worden; sie kehrten am Sonntag
in ihren Heimatort Rothley in Mittelengland zurück.
Der Richter kann dann festlegen, ob die bisherigen Auflagen für die Eltern verschärft werden. Bisher dürfen die McCanns reisen, wohin sie wollen. Sie müssen der portugiesischen Polizei lediglich ihren Aufenthaltsort nennen und Bescheid geben, wenn sie mehr als fünf Tage unterwegs sind. Der Ermittlungsrichter kann die Eltern im äußersten Fall sogar verhaften erlassen.
Rückkehr nach England
Gerry und Kate McCann (beide 39) sind
nach ihrer Ankunft in Großbritannien mit ihren zweijährigen Zwillingen Sean
und Amelie in ihr Haus in Rothley in der mittelenglischen Graftschaft
Leicestershire zurückgekehrt, sagte Justine McGuinness, die Sprecherin der
Familie. Die McCanns wollten die Zwillinge wieder an "ein normales
Leben in ihrer Heimat" gewöhnen".
Regelmäßig nach Portugal
Laut ihrer Tante Philomena
wollen sie trotz ihrer Rückkehr nach England regelmäßig nach Portugal
reisen. Gerry und Kate McCann, die mittlerweile beide als Verdächtige in dem
Fall gelten und am Wochenende in ihren Heimatort Rothley zurückkamen, würden "voll
und ganz" mit der portugiesischen Polizei kooperieren, sagte Madeleines
Tante Philomena McCann am Montag im britischen Fernsehen. Die Eltern würden
damit auch Druck auf die Polizei ausüben wollen, nach einem lebenden Kind zu
suchen.
Lesen Sie weiter: Prominenter Rechtsbeistand
Es sei "unfassbar", dass die Eltern als Verdächtige gelten, betonte Philomena McCann. "Niemand glaubt der portugiesischen Polizei." Sie kritisierte, dass die Polizei nicht mehr nach der lebenden Vierjährigen suchte und sich auf "gefälschte Beweise" stütze. Die Eltern erhalten nun Rechtsbeistand von zwei Anwälten, darunter von Michael Caplan. Caplan vertrat einst den chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet, als er an Spanien ausgeliefert werden sollte.
Zweifel an DNA-Testauswertung
Britische Medien berichteten am
Sonntag über Zweifel an der korrekten Auswertung gerichtsmedizinischer
Tests. Diese hatten in Portugal zur Einstufung der McCanns als Verdächtige
geführt. DNA-Spuren, die im Leihwagen der McCanns gefunden worden waren,
könnten nicht einmal eindeutig Madeleine zugeordnet werden, berichtete die
Zeitung "Sunday Times" unter Berufung auf das Labor in Birmingham,
das die Proben untersucht hat. Nach portugiesischen Presseberichten
verdächtigt die Polizei die McCanns, Madeleine versehentlich getötet und
ihre Leiche mit dem Leihwagens beseitigt zu haben. Lesen
Sie hier mehr dazu.
"Sie wollen mir Mord anhängen"
Die McCanns wollen
nach ihrer Rückkehr nach Großbritannien das britische Außenministerium um
Unterstützung bitten, berichtete der "Sunday Telegraph". Das
Ehepaar fürchte, Opfer einer "schockierenden Ungerechtigkeit"
zu werden. Die Polizei habe sie unter Druck gesetzt, ein Geständnis
abzulegen, berichtete Kate McCann dem "Sunday Mirror". "Die
Polizei will, dass ich lüge - sie wollen mir Mord anhängen",
sagte die Mutter Madeleines der Zeitung.
Offiziell Verdächtige
Reporter berichteten, die ersten
beide Reihen der Maschine der Fluggesellschaft easyJet seien für Kate und
Gerry McCann und ihre zweijährigen Zwillinge reserviert gewesen. Die McCanns
verließen Portugal, nachdem die Polizei sie nach Einvernahmen zu neuen
Indizien zu Verdächtigen erklärt hatte.
Lesen Sie weiter: Erklärung am Flughafen
Als das Flugzeug abhob, verlas im Flughafen eine Sprecherin der Familie eine kurze Erklärung des Ehepaars. Kate und Gerry McCann kehrten nach "sorgfältigen Überlegungen" nach England zurück, sagte Justine McGuinness. Sie wollten vor alle ihren anderen Kindern ein normales Leben ermöglichen. Die Eltern "spielten beim Verschwinden ihrer geliebten Tochter keine Rolle", betonte sie. Sie prüften eine Antwort auf Ereignisse in den vergangenen Tagen, die sie zutiefst beunruhigt hätten, hieß es in einer Anspielung auf die Polizeiverhöre. Sie appellierten, die Suche nach Madeleine fortzusetzen. McGuinness fügte hinzu, die McCanns hätten gerne mehr sagen wollen, dürften dies nach portugiesischem Recht aber nicht.
Keine Polizei-Auflagen
Justine McGuinness, eine Sprecherin der
Familie, sagte zuvor, Madeleines Eltern reisten "mit vollem Wissen der
portugiesischen Behörden und Polizei" ab. Die Polizei habe dem
Paar nach den Verhören am Wochenende keine Auflagen gemacht, so dass es "völlige
Bewegungsfreiheit" habe. Am Samstag war nach der Mutter auch der Vater
des vor vier Monaten verschwundenen Mädchens von der portugiesischen Polizei
zum Verdächtigen erklärt worden. Die Ermittlungen gingen weiter. Bei den
neuen Beweisen soll es sich um Blutspuren handeln, die zuerst übersehen und
erst später durch Suchhunde, die aus Großbritannien eingeflogen wurden,
entdeckt wurden.
"Chaotische Ermittlungen"
Die konservative britische
Sonntagszeitung "Sunday Times" kommentierte die überraschende
Wende in den Ermittlungen folgendermaßen: "Die Ermittlungen der
Polizei erscheinen zunehmend chaotisch und sogar verzweifelt. Nachdem sie
von Anfang an viel zu langsam auf das Verschwinden von Madeleine reagierte,
schien die portugiesische Polizei stets einen Schritt hintennach. (...) Die
Untersuchungen forensischer Experten aus Großbritannien sind auch nicht
unbedingt vertrauenserweckend. Es handelt sich bestenfalls um
Indizienbeweise. Wir müssen darauf hoffen, dass die Anschuldigungen der
Polizei gegen die McCanns 'irrsinnig' sind, oder das Vertrauen vieler wird
heftig erschüttert sein."
Brutale britische Presse
Britische Boulevard-Zeitungen lassen
unterdessen mit plakativen Schlagzeilen aufhorchen: "Gesteh und du bist
in einem Jahr wieder draußen" titelte etwa die "Sun".
Der "Daily Record" wird sogar noch aggressiver: "Du hast
Maddie getötet" und daneben ist das Bild der Mutter. Die gleiche
Schlagzeile findet sich auch im "Evening Standard".
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Versehentliche Tötung?
Susan Healey, die Mutter von Kate
McCann, bezeichnete den Verdacht der Polizei, die Eltern könnten ihre
Tochter versehentlich getötet haben, als "irrsinnig". "Sie
sind beide besorgt und befinden sich in einer sehr schwierigen Situation",
sagte sie Reportern nach einem Telefonat mit ihrer Tochter. Die Polizei habe
den beiden Verdächtigen bisher "keine harten Beweise"
vorlegen können, erklärte Gerrys Bruder John McCann. Nach Angaben des
britischen Fernsehsenders Sky News könnte in den nächsten Tagen über
mögliche Anklagen gegen die McCanns entschieden werden. Zunächst werde der
Ermittlungsrichter aber prüfen, ob den McCanns auferlegt werden müsse,
Portugal bis auf weiteres nicht zu verlassen.
"Handel" mit Polizei abgelehnt
Derweil haben die
McCanns nach Angaben von Familienmitgliedern einen "Handel" mit
der Polizei abgelehnt. Die Ermittler hätten Kate McCann Garantien für eine
maximal zweijährige Gefängnisstrafe angeboten, wenn sie ein Geständnis
ablege, sagte Gerry McCanns Schwester dem britischen TV-Sender ITV. "Sie
haben versucht, sie zu einem Geständnis zu bringen, wonach sie Madeleine
versehentlich getötet hat", sagte Philomena McCann. Sie solle auch
zugeben, die Leiche des Kindes versteckt und später beseitigt zu haben.
Aussagen zu 40 Fragen angeblich verweigert
Laut "Publico"
haben die Eltern während ihrer Vernehmungen zu rund 40 Fragen der
Kriminalpolizei die Aussage verweigert. Dabei sei es vor allem um mögliche
Spuren von Leichengeruch an Kleidern von Madeleine und Kate McCann sowie an
dem Plüschtier des Mädchens und um Blutspuren in dem Leihwagen der Eltern
gegangen. Die Polizei selbst hat bisher noch keinerlei Angaben zu ihrem
Verdacht gegen Madeleines Eltern gemacht.
Nach einem Bericht der Zeitung "Diario de Noticias" soll Gerry McCann bei seiner Vernehmung aber eingeräumt haben, Madeleine und ihren Geschwistern, den zweijährigen Zwillingen Sean und Amelie, am 3. Mai ein Beruhigungsmittel verabreicht zu haben. Das Blatt beruft sich auf Ermittlerkreise. Es werde vermutet, dass Madeleine an einer Überdosis des Medikaments starb. Dementsprechend werden die Eltern laut "Diario de Noticias" der fahrlässigen Tötung verdächtigt. Außerdem will das Blatt erfahren haben, dass die Ermittler auch prüfen, ob Kate McCann infolge einer geistigen Störung ihre Tochter angegriffen und getötet haben könnte.
DNA-Spuren von Madeleine
Nach portugiesischen Presseberichten
stützen die Ermittler ihren Verdacht auch auf DNA-Spuren der vierjährigen
Madeleine in einem Leihwagen der McCanns. Bisher wurde keine Erklärung dafür
gegeben, wie die Spuren in den Wagen gekommen sein könnten. Die Eltern
hatten ihn erst Ende Mai gemietet - mehr als drei Wochen nachdem das Kind am
3. Mai aus ihrer Ferienwohnung in der Algarve verschwunden war.
Weltweite Suchkampagne
Noch Ende Mai waren Maddies Eltern beim Papst, um Trost zu suchen.
Nach Madeleines Verschwinden starteten sie eine Internet-Kampagne, die helfen sollte, vermisste Kinder zu finden. Auf diesem Weg kamen bisher an Spenden von einer Million Pfund (1,5 Millionen Euro) zusammen. In ganz Europa baten Madeleines Eltern um Hilfe bei der Suche nach ihrer Tochter. Ihrem Appell schlossen sich unter anderen die Schriftstellerin J.K. Rowling, David Beckham und auch der Papst an.