Literatur-Nobelpreis

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Neue Zürcher Zeitung: "Autor mit unermüdlicher Konsequenz" - Corriere della Sera: Nobelpreis als "Niederlage für Fanatismus"

Tageszeitung "The Guardian" vom Freitag in einem Kommentar zur gestrigen Zuerkennung des Literatur-Nobelpreises an den in seiner Heimat umstrittenen türkischen Autor Orhan Pamuk:
"Pamuk ist nach Artikel 301 des Strafgesetzbuchs verfolgt worden. Er wird von rechtsgerichteten Nationalisten benutzt, die behaupten, Europa untergrabe die Identität der Türkei. Dieser Artikel muss verschwinden, wenn die Türkei der EU beitritt. Aber es ist heuchlerisch von der Türkei zu verlangen, ihre Gesetze zu modernisieren, wenn Frankreich selbst sich in die entgegengesetzte - nicht-liberale - Richtung bewegt. Pamuks Weltklasseverdienst sollte als Quelle von Stolz betrachtet werden - ein Kompliment, keine Beleidigung - für eine manchmal übersensible Nation. Die Türken sollten die Bedeutung (des Preises) betrachten und einen offeneren Blick auf ihre Geschichte richten."

Auch die niederländische Zeitung "de Volkskrant" spricht die politische Dimension des Literaturnobelpreises an den türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk an:
"Pamuk hat eine klare Sicht auf die gewalttätige Seite der türkischen Geschichte. Das hat ihm viel Kritik und selbst ein Gerichtsverfahren eingebracht. Indem das Nobelpreiskomitee Pamuk mit so vielen Worten für seine Fähigkeit preist, 'neue Symbole für den Zusammenstoß und die Verflechtung der Kulturen' zu finden, spricht es ein deutliches Urteil über die türkische Position: Anerkennung der eigenen Komplexität. (...) Die Krönung Pamuks wird dadurch ein Manifest für den türkischen Spagat. Aus nationalistischer Sicht muss die Türkei immerhin stolz sein auf den so gewürdigten Autor. Aber weil dieser Autor dieselbe Türkei so hart mit sich selbst konfrontiert, wird erst geschluckt, bevor der Stolz ausgesprochen wird."

Die Belgrader Zeitung "Politika" sieht im Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk ebenfalls einen "tapferen Kämpfer für Menschenrechte":
"Der Nobelpreis ist eine Anerkennung für den Schriftsteller, aber auch eine indirekte Botschaft an die Türkei, sich mit dem Genozid an den Armeniern auseinander zu setzen, von dem Pamuk als erster öffentlich gesprochen hat. Orhan Pamuk ist nicht nur der beste und berühmteste zeitgenössische türkischer Autor, sondern auch ein aufrichtiger und tapferer Kämpfer für Menschenrechte. In einem Interview hat er einmal gesagt, dass die Türkei nicht fähig sei, sich den schmerzhaften Themen seiner Geschichte zu stellen: dem Genozid an den Armeniern im Ersten Weltkrieg und der Gewalt gegenüber den Kurden in der neueren Zeit."

Zur Wahl des türkischen Schriftstellers Orhan Pamuk für den Literatur-Nobelpreis schreibt die "Neue Zürcher Zeitung" am Freitag:
"Mit Orhan Pamuk ehrt die Schwedische Akademie einen Autor, der seit über dreissig Jahren mit unermüdlicher Konsequenz und Konzentration alles, was er sieht, riecht, schmeckt, liest und erlebt, in Literatur verwandelt; einen Schriftsteller, der sich weder in seinen fiktionalen Texten noch in Essays zur Tagespolitik scheut, Widersprüche beim Namen zu nennen; und einen politischen Kopf, der bereit ist, sich mit seinen Worten im eigenen Land in Gefahr zu begeben. Der diesjährige Nobelpreis für Literatur geht an einen Mann, der - so bleibt zu hoffen - dem Westen wie dem Osten noch vieles zu sagen, noch viel zu erzählen hat."

Der "Tages-Anzeiger" aus Zürich schreibt am Freitag zum Nobelpreisträger Orhan Pamuk unter anderem:
"Der Literaturnobelpreis ist keine Auszeichnung für politische Courage, sonst hätte er unbedingt, seinerzeit, an Emile Zola oder Salman Rushdie gehen müssen. (...) Allerdings wird Orhan Pamuk nicht nur von Büchermenschen in der ganzen Welt bewundert. Sein Name ist auch denen ein Begriff, die kaum mehr als Zeitungsschlagzeilen und Teletextstreifen lesen. (...) Gerade für die Türkei ist Pamuks Wahl eine große Chance. Sie muss nur das Bild, das er von seiner Heimat entwirft, ein schmerzendes, aber auch liebevolles Bild, annehmen und sich darin wiedererkennen."

Zur Verleihung des Literatur-Nobelpreises an den Türken Orhan Pamuk schreibt die "Basler Zeitung" am Freitag:
"Die EU braucht die Türkei für den Brückenschlag zum Nahen und Mittleren Osten, und Orhan Pamuk vertritt bei aller Liebe seiner Romane zum alten Istanbul und Anatolien den Typus des urbanen Intellektuellen mit Matura (Abitur) an einer amerikanischen Eliteschule."

Die Mailänder Zeitung "Corriere della Sera" ist die Vergabe des Literatur-Nobelpreises an Orhan Parmuk eine "gute Nachricht":
"Orhan Pamuk hat im Jahr 2005 drei Jahre Haft in türkischen Gefängnissen riskiert. Angeklagt war er wegen seiner Meinung - und seit gestern ist er Literaturnobelpreisträger. Eine herrliche Entschädigung für ihn, eine gute Nachricht für alle, die betrübt beobachten, mit welcher Leichtigkeit Schriftsteller, Journalisten und Intellektuelle ihrer Wort- und Meinungsfreiheit beraubt werden. (...) Dies ist ein Zeichen für einen neuen intoleranten und aggressiven Fanatismus, der die Freiheit als Symptom für einen korrupten Geist und die Freiheit des Wortes sogar als Zeichen für moralisches Verderben ansieht. Für diesen Fanatismus verkörpert der mit dem Nobelpreis geehrte Schriftsteller Pamuk eine Niederlage. Aber für alle anderen ist dies eine gute Nachricht."

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