Türkischer Autor

Literatur-Nobelpreis an Orhan Pamuk

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Mit dem türkischen Autor Orhan Pamuk hat nach den Überraschungspreisträgern Elfriede Jelinek und Harold Pinter wieder ein langjähriger Favorit den Nobelpreis für Literatur erhalten.

Weltweit bekannt wurde der am 7. Juni 1952 in Istanbul geborene Autor, als er mit "Kar" ("Schnee", 2005) seinen ersten explizit politischen Roman ablieferte. "Den ersten und letzten", wie der 54-Jährige beteuerte. Denn plötzlich sah sich der Romancier aus gutbürgerlicher Familie mitten in den Strudel der politischen Auseinandersetzung gestellt - angefeindet in der Heimat, in Europa verehrt und bewundert.

Klage wegen „Herabsetzung des Türkentums"
Der Hass türkischer Nationalisten schlug ihm entgegen, als er an die Massaker an "einer Million Armenier" im Osmanischen Reich erinnerte. Ein Bezirksstaatsanwalt in Istanbul klagte ihn wegen "Herabsetzung des Türkentums" an. Der Prozess wurde im Jänner dieses Jahres jedoch eingestellt. Dabei möchte der am 7. Juni 1952 in Istanbul geborene Pamuk, der Architektur und Journalismus studierte, bevor er sich der Literatur verschrieb, von seinen Lesern geliebt werden. Seine in 34 Sprachen übersetzten Bücher erzielen hohe Auflagen, mit der Zuerkennung des Nobelpreises werden diese erneut in die Höhe schnellen.

Doch schon früher hat sich Pamuk, ein leidenschaftlicher Verfechter der Einbindung der Türkei in die Europäische Union, mit den Autoritäten in der Türkei angelegt. Als einer der ersten solidarisierte er sich mit dem kurdischen Schriftsteller Yasar Kemal, der vor neun Jahren den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt. Vor allem für die jüngere Generation ist Pamuk zum Symbol für eine aufgeklärte Türkei geworden. Im Gewand des historischen Romans geht es in seinen Werken immer wieder um das Thema Identitätsverlust in einer Kultur, die zwischen Orient und Okzident zerrissen ist - wie in "Rot ist mein Name", einem " Kriminalroman" unter Buchmalern am Palast des Sultans.

Die Faszination, die die europäische wie die türkisch-osmanische Geschichte auf Pamuk ausübt, wirkt bis in seinen Schreibstil hinein. Übersetzer verzweifeln gelegentlich an seinen komplizierten Satzgefügen. "Für mich sind lange Sätze kein Problem. Besonders im Türkischen fließen sie einfach so dahin. In der osmanischen Prosa gab es keinen Punkt und kein Komma, eines fügte sich ans andere, wie ein einziger langer Satz."

Romane Pamuks
Sein Romandebüt gab Pamuk mit der Familienchronik "Cevdet Bey Ve Ogullari" bereits 1982, die sich im Geiste Thomas Manns mit der Entwicklung einer Familie über drei Generationen auseinandersetzt. Es folgte der Roman "Sessiz Ev" (1983), erst sein drittes Buch "Beyaz Kale" (1985) wurde auch ins Deutsche übersetzt ("Die weiße Festung", 1990), mit dem historischen Roman setzte er sich international durch. 1995 folgte die Übersetzung von "Das schwarze Buch", 2001 "Rot ist mein Name", das die Beziehung zwischen Ost und West schildert. Pamuks letzter Roman "Kar" ("Schnee") handelt von einem Schriftsteller, der im Exil in Frankfurt lebt und nach Kars reist, um sich selbst über sein Land klar zu werden.

Zahlreiche Auszeichnungen
Pamuk erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2005 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels sowie den Ricarda-Huch-Preis. Für die französische Übersetzung seines Romans "Sessiz Ev erhielt" er 1991 den "Prix de la découverte européenne", für "Beyaz Kale" 1990 den " Independent Award for Foreign Fiction". Mit "Benim Adim Kirmizi" gewann er 2003 den hochdotierten "IMPAC Dublin Award".

Erster Preisträger aus der Türkei
Pamuk ist der erste türkische Literatur-Nobelpreisträger. Er habe "auf der Suche nach der melancholischen Seele seiner Heimatstadt neue Sinnbilder für Streit und Verflechtung der Kulturen gefunden" lautet die Begründung des Nobelpreis-Komitees.

Verleihung im Dezember
Die Verleihung findet immer am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896), in Stockholm statt. 2004 war die mit 1,1 Mio. Euro dotierte Auszeichnung an die Österreicherin Elfriede Jelinek gegangen, im Vorjahr an den Briten Harold Pinter.

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