Netanyahu kündigt Änderungen an

Israel: Hunderttausende bei Sozialprotesten

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450.000 Menschen demonstrierten für gerechtere Gesellschaftsordnung.

Es war zwar nicht der angekündigte "Marsch der Millionen" - bei den größten Sozialprotesten in der Geschichte Israels haben am Samstag aber immerhin etwa 450.000 Menschen landesweit eine gerechtere Gesellschaftsordnung gefordert. Vier Wochen nach den historischen Massenprotesten hatten Organisatoren am Freitag zu landesweiten Demonstrationen aufgerufen, um die Zahl der 300.000 Teilnehmer der Proteste vom 6. August zu übertreffen. Es sei die "größte Demonstration in Israels Geschichte" gewesen, titelte die Zeitung "Yediot Achronot" am Sonntag euphorisch.

Für das kleine Land mit nur 7,7 Millionen Einwohnern war es tatsächlich ein beispielloser Erfolg, an dem viele der Teilnehmer gezweifelt hatten. Demonstrationen fanden in neben der größten Einzelkundgebung in Tel Aviv auch in Jerusalem, Haifa, Afula, Karmiel, Eilat und zahlreichen anderen Städten statt, wie die "Jerusalem Post" in ihrer Online-Ausgabe berichtete. Yonatan Levy, der Protestführer, verglich die Atmosphäre gegenüber der israelischen Zeitung "Haaretz" (Onlineausgabe) mit einem "zweiten Unabhängigkeitstag".

Volksfestcharakter
Es sei ein Riesenerfolg, dass so viele Menschen dem siebenten Aufruf in Folge zu den Samstagsprotesten gefolgt seien. "Die genauen Zahlen sind ganz egal, die sind sowieso nur für die Medien", sagte ein Demonstrant in Tel Aviv. Die Kundgebungen verliefen wie auch schon an den vergangenen Wochenende äußerst friedlich und hatte Volksfestcharakter. In Tel Aviv mischten sich Musikgruppen, Pantomimen und Schauspielergruppen unter die Demonstranten, die mit Tröten, Kochtopfschlagen und Gesängen ihren Forderungen Nachdruck verliehen. Viele der Teilnehmer waren mit Kindern unterwegs.

"Herr Ministerpräsident, sehen Sie uns gut an: Wir sind die neuen Israelis", sagte der Vorsitzende des nationalen Studentenbundes, Itzik Shmuli, am Samstagabend vor etwa 300.000 Teilnehmern in Tel Aviv. "Lassen Sie uns in diesem Land leben", forderte der Studentenführer. "Wir wollen den Staat Israel nicht nur lieben, sondern auch in Würde und respektiert leben und existieren", wird Shmuli von "Jerusalem Post" zitiert.

Netanyahu kündigt Änderungen an
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu kündigte am Sonntag praktische Schritte an. "Meine Regierung sieht sich zu echten Veränderungen verpflichtet, um die hohen Lebenshaltungskosten zu senken und soziale Ungerechtigkeiten auszugleichen", sagte Netanyahu. Ein Expertenteam werde binnen zwei Wochen "ernsthafte Empfehlungen zu Veränderungen" vorlegen.

Bereits Anfang August hatte Netanyahu, der eine liberale Wirtschaftspolitik betreibt, ein Expertenteam unter Leitung des ehemaligen Vorsitzenden des Nationalen Wirtschaftsrats, Professor Manuel Trajtenberg, eingesetzt. Er kündigte Vorschläge zur Lösung der Krise für Ende September an.

Die Protestbewegung hatte Mitte Juli spontan mit einem Zeltlager aus Ärger über hohe Mieten in Tel Aviv begonnen. Die Bewegung schwoll jedoch von Wochenende zu Wochenende an und breitete sich im ganzen Land aus. Inzwischen sind die Forderungen viel umfassender und zum Teil auch unübersichtlicher geworden. Es geht nicht mehr nur um das Wohnungsproblem, sondern auch um die Lebensmittelpreise, die Gesundheitsversorgung, das Bildungssystem und vor allem auch die Steuerlast. Generell wird eine stärker lenkende Rolle des Staates verlangt.
 

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