Kanaren

Kein Ende des Flüchtlingsdramas

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Seit Anfang des Jahres sind bereits 18.500 afrikanische Flüchtlinge auf den spanischen Ferieninseln gelandet.

Der Flüchtlingsstrom auf den Kanarischen Inseln reißt nicht ab. Seit Anfang des Jahres sind bereits 18.500 afrikanische Flüchtlinge auf den spanischen Ferieninseln gelandet und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. "Wir schätzen, dass derzeit rund 100.000 abfahrbereite Menschen an der westafrikanischen Küste auf eine Gelegenheit warten, mit einem Boot die Kanarischen Inseln und damit Europa zu erreichen", erklärt Froilán Rodríguez, Immigrationsbeauftragter der kanarischen Regierung. Und diese Gelegenheit wird sich aller Voraussicht auch schon bald einstellen.

"Die Gewässer zwischen Afrika und den Kanaren sind von Mitte September bis Ende Oktober traditionell sehr ruhig. Der sonst aufgewühlte Atlantik wird in dieser Zeit spiegelglatt. Dann werden die Flüchtlinge wieder massenweise kommen", prophezeit Tomás Tejedor von der spanischen Seewacht in Teneriffa. Nach Erkenntnissen der spanischen Grenzschützer werden in Gambia bereits so genannte "Super-Cayucos" gebaut, die mit einer Länge von 35 Metern bis zu 250 Immigranten gleichzeitig an Bord nehmen können. Bisher passten in die schmalen, afrikanischen Fischboote lediglich 180 Flüchtlinge.

Während das Rote Kreuz, Polizei und die spanischen Rettungsdienste sich auf einen erneuten Massensturm in den kommenden Wochen einstellen, versucht die spanische Regierung alle diplomatischen Hebel in Bewegung zu setzen, um die afrikanischen Herkunftsländer zur besseren Mitarbeit im Kampf gegen die illegale Immigration zu verpflichten. Bisher liefen sämtliche Verhandlungen zwischen Spanien und den westafrikanischen Staaten recht zäh an. Am Dienstag wird Spaniens Vizepremier María Teresa Fernández de la Vega zudem in Helsinki den finnischen EU-Ratspräsidenten treffen sowie am Mittwoch in Brüssel EU-Kommissionspräsident José Manuel Durao Barroso und Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner besuchen, um die bereits seit Mai versprochenen Hilfen bei der Bekämpfung der illegalen Immigration erneut einzufordern.

EU sieht tatenlos zu
Die Insel-Regierung zeigt sich von der EU unterdessen mehr als enttäuscht. "Europa schaut beim Flüchtlingsdrama auf den Kanaren einfach weg", kritisiert der Immigrationsbeauftragte der kanarischen Regierung, Froilán Rodríguez. Im Mai hätten in Brüssel im Rahmen der neu geschaffenen europäischen Grenzschutzagentur Frontex zehn EU-Staaten insgesamt zehn Patrouillenschiffe und 15 Helikopter versprochen. Doch nur Italien und Portugal haben bisher jeweils ein Boot geschickt und Finnland einen Helikopter. "Dabei ist es doch ein europäisches Problem. Diese Menschen wollen nicht auf den Kanaren bleiben. Die Kanaren sind nur das Tor, um auch in andere europäische Länder zu gelangen", versichert Rodríguez.

"Vor allem brauchen wir endlich eine gemeinsame und effektive EU-Entwicklungspolitik in Afrika. Solange die Armut in diesen Ländern so groß bleibt, werden sie durch nichts aufzuhalten sein, auch nicht durch 100 Grenzschutzboote", versichert Rodriguez. Eine Lösung könnten seiner Meinung nach zeitlich beschränkte Arbeitsverträge für Saisonarbeiter sein, wie sie bereits mit Arbeitern aus osteuropäischen Staaten und Lateinamerika ausgehandelt werden. Bis dahin wird der Flüchtlingsstrom auf den Kanaren aber wohl kaum abnehmen.

Warum in den vergangenen Tagen etwas weniger Flüchtlingsboote als gewohnt auf der spanischen Inselgruppe vor der Küste Afrikas angekommen sind, dafür haben die spanischen Rettungsdienste nur zwei plausible Erklärungen: " Entweder war das Meer vor Afrika zu unruhig und viele cayucos sind erst gar nicht gestartet, oder sie haben es gewagt und sind ertrunken", meint Tomás Tejedor von der spanischen Seerettung. Leider ist Letzteres zu befürchten: Die Behörden rechnen mit noch höheren Opferzahlen auf den überfüllten Booten. Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass seit Anfang 2006 zwischen 2.000 und 3.000 Flüchtlinge auf dem Weg zu den Kanaren ertrunken, verdurstet und verhungert seien. Immer wieder kommen Boote auch vom Kurs ab. Vor wenigen Wochen fanden Fischer auf der Karibik-Insel Barbados in einem Flüchtlingsboot aus dem Senegal elf mumifizierte Leichen.

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