Ein "Spiegel"-Bericht bringt den deutschen Verteidigungsminister in Bedrängnis.
Der geheime Untersuchungsbericht der NATO zur Kunduz-Affäre wirft dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zufolge neue Fragen an Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenbergs Darstellung der Abläufe auf. Der Bericht enthalte alle Details, die dem deutschen Politiker nach dessen Darstellung erst bekanntgeworden seien, nachdem er den Luftangriff auf zwei Tanklaster in Afghanistan "militärisch angemessen" genannt hatte, berichtet das Magazin in seiner neuen Ausgabe.
Oberst wollte Aufständische treffen
Guttenberg hatte diese
Einschätzung vertreten, nachdem er Anfang November den
Verteidigungsausschuss über den NATO-Bericht informiert hatte. Vier Wochen
später änderte er seine Bewertung mit der Begründung, ihm seien Unterlagen
vorenthalten worden. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und ein
deutscher Staatssekretär mussten ihre Posten räumen.
Dem "Spiegel" liegt der bisher nur in Auszügen bekannte NATO-Bericht nach Darstellung des Magazins in vollem Umfang vor. Darin räume der deutsche Oberst Georg Klein offen ein, dass er nicht nur die Tanklastwagen habe treffen wollen, sondern auch die Aufständischen. Mit dem Hinweis darauf, dass diese Aussage ihm erst später bekanntgeworden sei, habe Guttenberg seinen Sinneswandel Anfang Dezember begründet. Klein habe gegenüber den NATO-Ermittlern auch zugegeben, dass er gezielt die Unwahrheit gesagt habe, um sich die US-Luftunterstützung zu sichern. Dazu habe er den falschen Eindruck erweckt, seine Soldaten seien angegriffen worden.
Kein Strafverfahren
Klein hatte im September einen Luftangriff
auf zwei Tanklaster angefordert, die nahe dem deutschen Feldlager Kunduz von
Taliban-Kämpfern entführt worden waren. Dabei wurden bis zu 142 Menschen
getötet, darunter auch Zivilisten. Der Verteidigungsausschuss des Deutschen
Bundestages soll die Vorgänge als Untersuchungsausschuss aufklären.
Ein Strafverfahren gegen den Oberst wird es nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" voraussichtlich nicht geben. Die deutsche Bundesanwaltschaft in Karlsruhe werde die Ermittlungen nach Angaben von mittelbar an dem Vorgang beteiligten Parteien in den kommenden Wochen einstellen, berichtete das Blatt. Die oberste Anklagebehörde werde sich auf das Völkerrecht berufen. Der Afghanistan-Einsatz werde als nicht-nationaler bewaffneter Konflikt eingestuft, wonach bei der Beurteilung des Luftangriffs das humanitäre Völkerrecht angewandt werden müsse. Demnach sei ein Militärschlag gegen Konfliktgegner zulässig. Zivilisten verlören ihren Schutzanspruch vorübergehend, wenn sie sich wie bei den Tanklastzügen in eine Konfliktsituation begäben.