Nach Auskunft des Ermittlers Petros Garibjan wurde aber noch keine Anklage erhoben. Wieso nicht, ist nicht bekannt.
Der Mörder der vor einem Jahr erschossenen Journalistin Anna Politkowskaja ist den Ermittlungen zufolge den russischen Behörden bekannt. Er sei aber noch nicht angeklagt worden, sagte Chefermittler Petros Garibjan in einem am Montag veröffentlichten Interview der "Nowaja Gaseta" - der Zeitung, für die Politkowskaja gearbeitet hatte. Garibjan sagte nicht, ob der Verdächtige in Haft ist und warum bisher noch keine Anklage gegen ihn erhoben wurde.
Mordfall ist aufgeklärt
Der Mordfall sei für seine Begriffe
"aufgeklärt", sagte Garibjan. "Aber es ist etwas anderes, die gesamte
Auftragskette vom Drahtzieher bis zum Täter herauszubekommen." Dem Gericht
müssten "unbezweifelbare Beweise" vorgelegt werden. Garibjan verwies zur
Begründung der Verzögerung auch auf die Komplexität des russischen
Rechtssystems und den Druck, der sowohl von Seiten der Behörden als auch von
der russischen Öffentlichkeit in diesem Fall ausgeübt werde.
Von Unbekannten erschossen
Politkowskaja war am 7. Oktober 2006
vor ihrer Wohnung in Moskau von Unbekannten erschossen worden. Die
48-Jährige hatte wiederholt über Menschenrechtsverstöße in Tschetschenien
sowie Korruption in russischen Behörden berichtet. Zuletzt berichtete die
Zeitung "Rossijskaja Gaseta" am Freitag, ein ukrainischer Mafiaboss sei im
Zusammenhang mit dem Mordfall festgenommen worden.
Bisher Ermittlungen gegen elf Verdächtige
Garibjan sagte,
insgesamt liefen Ermittlungen gegen elf Verdächtige, doch sei die Liste
"nicht abgeschlossen". Ob der mutmaßliche Täter zu den rund zehn
Festgenommenen zählt, wollte Garibjan nicht erläutern. Derzeit ist nicht
bekannt, wie viele von ihnen bereits wieder auf freiem Fuß sind. Die große
öffentliche Aufmerksamkeit für den Fall sei "störend", sagte Garibjan. In
Westeuropa hätten die Justizbehörden viel bessere Möglichkeiten als in
Russland. Dort würden sofort Experten eingeschaltet, aber "bei uns dauert
das Monate", sagte der Ermittlungsrichter.
Erinnerungen am Jahrestag
Zum ersten Jahrestag der Ermordung
Politkowskajas am 7. Oktober 2006 hatten am Sonntag in Moskau Freunde und
Kollegen an die regierungskritische Journalistin erinnert. Sie forderten
eine vollständige Aufklärung der Tat. Die Äußerungen Garibjans dürften den
Verdacht unter den Freunden Politkowskajas schüren, dass der Fall weiter von
der Aufklärung entfernt ist als es die russische Staatsanwaltschaft bisher
der Öffentlichkeit vermittelt hat. Politkowskaja galt als eine der
schärfsten Kritikerinnen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie
hatte ausführlich über das Vorgehen der Sicherheitskräfte in Tschetschenien
berichtet.
Ermordung fiel auf Geburtstag Putins
Die Ermordung der zweifachen
Mutter vor einem Jahr fiel auf den Geburtstag Putins. Ihre Anhänger
vermuten, dass Sicherheitskreise und offizielle Stellen in die Tat
verstrickt sind. Die Regierung hat diesen Verdacht zurückgewiesen.