Nach dem Brand-Drama

Türkische Brandexperten ermitteln in Ludwigshafen

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Die Ermittler in Ludwigshafen weisen Angriffe gegen die Feuerwehr zurück. Die Polizeigewerkschaft kritisiert die Entsendung türkischer Ermittler.

Die Ermittlungen zur Ursache der Brandkatastrophe mit neun Toten und 60 Verletzten in Ludwigshafen stehen unter zunehmendem Druck. Die Polizei hält weiterhin sowohl einen technischen Defekt als auch fahrlässige oder absichtliche Brandstiftung für möglich. Die beiden Mädchen, die einen Brandstifter gesehen haben wollen, sollen erneut befragt werden. Dann will man über die Erstellung eines Phantombildes entscheiden.

Türkische Medien erhoben Vorwürfe
Am Mittwoch wiesen die Ermittlungsbehörden und Politiker vor allem in türkischen Medien erhobene Vorwürfen gegen die Feuerwehr entschieden zurück. Deutsche Polizeigewerkschaften kritisierten die Entsendung türkischer Kollegen nach Ludwigshafen.

Retter würden zu Tätern gemacht
Ein 37-jähriger, in der Türkei geborener Mann machte laut Polizei in einem Lokal einem Feuerwehrmann Vorhaltungen und stieß ihn um. Polizeipräsident Wolfgang Fromm sagte, die Polizei müsse inzwischen Personenschutz für die Feuerwehrleute bereitstellen: "Das dürfen wir nicht hinnehmen", sagte er. "Es geht nicht an, dass diese Menschen beleidigt, bedroht und bespuckt werden." Hier würden "Retter zu Tätern gemacht".

Merkel zeigte Mitgefühl
Der türkische Staatsminister Mustafa Sait Yazicioglu traf in Ludwigshafen mit der Staatsministerin für Integration, Maria Böhmer, vor der Brandruine zusammen. Böhmer legte auch im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Kranz nieder und sagte: "Die Bundeskanzlerin hat ihr tiefes Mitgefühl ausgedrückt." Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, der eine rasche Aufklärung der Brandursache gefordert hat, will am Donnerstag nach Ludwigshafen kommen.

Böhmer rief die türkischen Medien, die über ein zweites Solingen spekuliert hatten, zu Zurückhaltung auf. Sie wies auch Vorwürfe gegen die Feuerwehr zurück; diese sei binnen weniger Minuten am Brandort gewesen. Bürgermeister Wilhelm Zeiser sagte, der erste Notruf sei um 16.22 Uhr eingegangen. Nur zwei Minuten später seien die ersten beiden Löschzüge vor Ort gewesen, drei Minuten später seien weitere sechs Feuerwehrfahrzeuge eingetroffen. Durch den beherzten Einsatz von Polizei und Feuerwehr seien insgesamt 47 Menschen gerettet worden.

BKA sucht mit Spürhunden nach weiteren Opfern
Die Polizei wird bei den Ermittlungen von einigen Experten des Bundeskriminalamts unterstützt, darunter "vorsorglich" Vertreter des Staatsschutzes, wie ein BKA-Sprecher sagte. Beamte durchsuchten mit Spürhunden das einsturzgefährdete Gebäude nach möglichen weiteren Opfern und nach Brandbeschleuniger, wurden aber nicht fündig.

Haus mit Nazi-Symbolen beschmiert
Das Haus wurde vor dem Feuer mit Nazi-Symbolen beschmiert. Neben dem Eingang zu einem türkischen Kulturverein im Erdgeschoß des Gebäudes findet sich zwei Mal die Aufschrift "Hass".

Bereits mehr als 50.000 Euro Spenden
"Wir können derzeit keinerlei Brandursache ausschließen", betonte der Leiter der Staatsanwaltschaft Frankenthal, Lothar Liebig. Oberbürgermeisterin Eva Lohse berichtete von einer ungebrochenen Hilfsbereitschaft; mehr als 50.000 Euro seien gespendet worden.

Türkische Brandexperten untersuchen Schauplatz
Der Einsatz türkischer Brandexperten, die hier keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen dürfen, stieß auf Befremden. Der Vorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten, Klaus Jansen, sagte der "Bild"-Zeitung (Donnerstagausgabe): "Es war völlig berechtigt, dass sich die Türken seinerzeit eine Einmischung in den Fall Marco verbeten haben. Aber jetzt sollten sie sich auch bitte nicht in diesen Fall einmischen." Auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, betonte: "Es gibt für niemanden den geringsten Anlass, der deutschen Polizei zu misstrauen."

Gibt es Hinweise auf fremdenfeindlichen Anschlag?
Muslimische Organisationen kritisierten, die Aussage des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck, es gebe keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Anschlag, sei sehr verfrüht gewesen. Burhan Kesici, Generalsekretär des Islamrates, sagte dem "Münchner Merkur" (Donnerstagausgabe). "Alle hoffen, dass es kein Brandanschlag war, weil das die Situation in Deutschland verändern und zu einer Eskalation führen würde."

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