Es wurden ähnliche Kabel wie bei ultranationalistischen Anschlägen gefunden. Stecken Putins Anhänger hinter der Tat?
Russische Ermittler haben nach dem Bombenanschlag auf den Schnellzug zwischen Moskau und St. Petersburg drei Verdächtige festgenommen. Bisher sei noch unklar, ob die Festgenommenen etwas mit dem Anschlag zu tun hätten, meldete die Agentur Interfax am Freitag unter Berufung auf Kreise der Ermittler.
"Die Drei wurden wegen einer heißen Spur festgenommen", wurde der namentlich nicht genannte Informant zitiert. Russische Medien berichteten, es handle sich bei den Verdächtigen um zwei Tschetschenen und einen Russen.
Rechtsextremer Hintergrundvermutet
Nach dem Bombenanschlag auf
die Bahnverbindung zwischen Moskau und St. Petersburg haben sich Hinweise
auf einen rechtsextremen Hintergrund der Tat verdichtet. Die am Anschlagsort
gefundenen elektrischen Kabel deuten auf eine Urheberschaft von russischen
Rechtsextremisten hin, berichtet die englischsprachige "Moscow Times"
am Mittwoch auf ihrer Internetseite. Ähnliche Kabel seien nämlich bei zwei
von Rechtsextremisten verübten Bombenanschlägen verwendet worden.
Tschetschenische Extremisten würden dagegen Mobiltelefone zur Zündung ihrer
Sprengsätze verwenden, schreibt die Zeitung.
Parallelen zu Anschlag auf Anatoli Tschubais
Die beim Anschlag
vom Montag verwendete Bombe weise Parallelen auf zum Anschlag auf den
liberalen Ex-Premier und jetzigen Chef des staatlichen Strommonopolisten EES
Rossii, Anatoli Tschubais, im März 2005 sowie jenen auf einen Zug zwischen
Moskau und der tschetschenischen Hauptstadt Grosny im Juni desselben Jahres.
Für diesen Anschlag wurden im April zwei Ultranationalisten verurteilt, die
offenbar tschetschenische Zugpassagiere töten wollten. Für den Anschlag auf
Tschubais muss sich derzeit eine Gruppe von Rechtsextremisten vor Gericht
verantworten. Bei keinem der Anschläge gab es Todesopfer.
Schnellzug von Geschäftsleuten und Beamten genutzt
Die
russische Terrorexpertin Irina Borogan wies darauf hin, dass der Schnellzug "Newski
Express" zwischen Moskau und St. Petersburg vor allem von Beamten und
Geschäftsleuten benützt wird, gegen die sich der Hass der russischen
Rechtsextremisten genauso richte wie gegen Angehörige von Minderheiten und
Ausländer. Auch der Politikwissenschaftler Alexander Khramchikhin
(Chramtschichin) vermutet nicht die bisher für die meisten Terroranschläge
in Russland verantwortlichen Kaukasus-Rebellen hinter der Bombe auf den
Expresszug. Ein solcher Anschlag brächte den Rebellen nämlich nur wenig. "Sie
wurden damit nur beweisen, dass es sie noch gibt. Den Krieg im Kaukasus
haben sie schon verloren", sagte der Experte am russischen Institut für
politische und militärische Analysen.
Stecken Putin-Anhänger dahinter?
Khramchikhin glaubt eher,
dass Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin hinter der Tat
stecken könnten. Durch das Heraufbeschwören einer großen Terrorgefahr im
Land könnten sie eine Verschiebung der im Herbst stattfindenden
Parlamentswahlen erreichen sowie ein neuerliches Antreten Putins bei der
Präsidentenwahl im kommenden Frühjahr. Putin darf wegen der in der
russischen Verfassung festgelegten Amtszeitbeschränkung nicht ein drittes
Mal in Folge zur Wahl antreten.
Aufstieg Putins durch Anschläge 1999 begünstigt
Die
Zeitung verweist in diesem Zusammenhang auf die Tatsache, dass die im Herbst
1999 von tschetschenischen Extremisten durchgeführten Anschläge auf
Wohnblocks in Moskau, bei denen Dutzende Menschen ums Leben kamen,
maßgeblich zum Aufstieg Putins beitrugen. Der bis dahin weitgehend
unbekannte und uncharismatische Regierungschef griff mit eiserner Hand gegen
die Rebellen durch und wurde wenige Monate später mit überwältigender
Mehrheit zum Nachfolger von Staatspräsident Boris Jelzin gewählt. Der
Politikexperte Dmitry Orlow (Orlov) meint dagegen, dass die Situation heute
ganz anders sei als im Jahr 1999. Das Ansehen von Putins Regierung beruhe
nämlich in großem Maße auf ihrer Kompetenz in der Terrorbekämpfung und ihren
Leistungen bei der Stabilisierung des Landes. Eine neue Gewaltwelle würde
damit auf den Kreml zurückfallen, sagte Orlow.
Meistbefahrene Strecke zwischen den größten Städten Russlands
Der
Anschlag auf die am meisten befahrene Strecke zwischen den beiden größten
Städten Russlands war nach Angaben des Innenministeriums in Moskau durch
eine ferngezündete Bombe verursacht worden. "Die Terroristen
hatten es allem Anschein nach auf einen maximalen Schaden abgesehen",
sagte ein Sprecher der Sonderkommission. Alles deute auf eine genaue Planung
hin. "Wir können aber auch andere Gründe für einen Anschlag nicht
ausschließen", sagte Bastrykin Die Hintergründe waren zunächst
unklar.
Vor allem tschetschenische Rebellen und ihnen nahestehende Extremisten aus der Kaukasus-Region hatten in den vergangenen Jahren häufig Anschläge auf zivile Ziele in Russland verübt.
Sprengkraft von zwei Kilogramm TNT
Die Lokomotive und ein
Dutzend Waggons sprangen bei Nowgorod, rund 500 Kilometer nördlich von
Moskau, aus den Gleisen. Mindestens drei Waggons kippten um. Die
Staatsanwaltschaft teilte mit, es seien Terror-Ermittlungen eingeleitet
worden. Die offenbar selbst gemachte Bombe habe eine Sprengkraft von zwei
Kilogramm TNT gehabt. "Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus
ist noch nicht eliminiert", sagte der Chef des Geheimdienstes FSB,
Nikolai Patruschew, laut Medienberichten.
Patruschew kündigte ein Paket von zusätzlichen Maßnahmen an, die auf Vorbeugung gegen terroristische Akte und mögliche Notfälle gerichtet seien. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass mögliche terroristische oder extremistische Handlungen die Lage im Land destabilisierten, sagte der Leiter des Nationalen Anti-Terror-Komitees. Vor allem tschetschenische Rebellen und ihnen nahestehende Extremisten aus der Kaukasusregion hatten in den vergangenen Jahren häufig Anschläge auf zivile Ziele in Russland verübt. Zuletzt waren bei einem Bombenanschlag auf einem belebten Moskauer Markt im August vergangenen Jahres elf Menschen getötet und 45 verletzt worden.
Verdacht fiel auf Rebellen aus dem Kaukasus
Zunächst bekannte
sich niemand zu dem Anschlag. Der Verdacht fiel aber umgehend auf Rebellen
aus dem Kaukasus. Die Nachrichtenagentur Interfax meldete, Kabel und
weiteres an der Unglücksstelle sichergestelltes Material ähnelten dem, das
bei einem Bombenanschlag auf einen Zug von Grosni nach Moskau 2005 benutzt
worden sei.
Medienberichten zufolge ging der Anschlag am Montagabend noch relativ glimpflich aus: Demnach war die Bombe in der Nähe einer 30 Meter hohen Brücke platziert. Wäre der Zug dort hinuntergestürzt, hätte es wohl bedeutend mehr Opfer gegeben. RIA-Nowosti meldete, der "Newa-Express" sei zum Zeitpunkt des Unglücks 130 Stundenkilometer schnell gefahren. Anderen Angaben zufolge war die Garnitur mit 180 Kilometer pro Stunde unterwegs.
25 Verletzte in Krankenhäuser gebracht
25 der etwa 60
verletzten Menschen wurden nach Angaben des Bahnunternehmens in
Krankenhäuser gebracht. Unter den Verletzten waren offenbar keine Ausländer.
Bahnmanager Alexander Pirkow sagte im Fernsehen, insgesamt hätten sich 215
Fahrgäste und 20 Bahnmitarbeiter in dem Zug befunden. Der Lokomotivführer
habe unmittelbar vor dem Entgleisen einen lauten Knall gehört.
"Wir haben zwei Explosionen gehört, dann wurden sehr schnell die Bremsen gezogen", sagte ein Zugbegleiter. "Panik brach aus." Ein Passagier sagte dem russischen Sender NTV, einige Fahrgäste seien offenbar in den Wagen eingeschlossen gewesen. Schaffner, Bahnangestellte und andere Reisende hätten Fenster eingeschlagen und den Leuten hinausgeholfen, als beschädigte Oberleitungen geborsten seien. Der gesamte Verkehr auf der Strecke, eine der meistbefahrenen in Russland, wurde eingestellt.
Gleise auf einer Länge von 800m aufgerissen
Die Explosion
und der Zugunfall rissen die Gleise auf einer Länge von 800 Metern auf.
Arbeiter begannen am Dienstag mit der Reparatur. Der Verkehr auf der auch
bei Touristen beliebten Verbindung sollte am Nachmittag wieder aufgenommen
werden.