Neue Studie

655.000 Menschen starben im Irak

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Eine neue Studie spricht von 655.000 Toten in Folge des Krieges seit 2003. US-Präsident Bush bestreitet die Zahl.

Durch die Folgen des Krieges von 2003 im Irak sind nach Angaben einer regierungsunabhängigen Untersuchung fast 655.000 Menschen ums Leben gekommen. Die Studie amerikanischer und irakischer Ärzte wurde am Mittwoch von der britischen Medizin-Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlicht.

Bush bestreitet die Zahl
US-Präsident George W. Bush sieht das anders. Er halte die Untersuchung für nicht glaubwürdig, sagte Bush, der in der Vergangenheit wiederholt von etwa 30.000 toten Zivilisten gesprochen hatte, auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Zugleich rief er angesichts der schweren Gewalt im Irak erneut zum Durchhalten auf. Andernfalls drohe das Land zu einem "Terroristenstaat" zu werden.

Haushalte im Irak befragt
Die Wissenschaftler um Gilbert Burnham von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore (Maryland) hatten für die neue Studie 1849 Haushalte mit knapp 13.000 Menschen an 47 zufällig ausgewählten Orten im Irak besucht. Dort fragten sie nach Todesfällen zwischen Jänner 2002 und Juni 2006, mit dem Ergebnis, dass rund 87 Prozent der 629 Registrierten nach Kriegsausbruch ums Leben gekommen waren. Das entspricht mehr als einer Verdoppelung der jährlichen Sterberate seit Beginn der US-Invasion von 55 auf 133 Todesfälle unter 10.000 Menschen.

Zeitschrift betont seriöse Methodik
Hochgerechnet kommen die Forscher auf landesweit 392.979 bis 942.636 zusätzliche Todesfälle im Irak durch Kriegsfolgen mit einem Mittelwert von 654.965 Toten - das sind rund 2,5 Prozent der Bevölkerung. Das Fachblatt betont die solide Methodik der Untersuchung.

Alle vier Gutachter hätten die Veröffentlichung empfohlen, heißt es in einem redaktionellen Kommentar des ältesten Medizinjournals der Welt. Eine Gutachterin habe unterstrichen, dass diese Analyse "möglicherweise die einzige nicht regierungsfinanzierte wissenschaftliche Untersuchung sei, die eine Abschätzung der Zahl irakischer Todesfälle seit der US-Invasion liefere ".

Sterbeurkunden vorhanden
Für 92 Prozent der registrierten Todesfälle seien Sterbeurkunden ausgestellt worden, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Studie. Demnach waren mit 55 Prozent die meisten zusätzlichen Todesfälle gewaltsam. 31 Prozent der registrierten Toten aus der Zeit nach der Invasion seien durch Schüsse ums Leben gekommen, jeweils sieben Prozent durch Luftangriffe und Autobomben und acht Prozent durch andere Explosionen. Dabei unterscheidet die Studie nicht, ob es sich bei den Toten um Zivilisten oder Soldaten handelt. Die Autoren der Studie betonen die völkerrechtliche Bedeutung ihrer Ergebnisse.

Ausweichende Antwort
Bush antwortete auf Journalistenfragen, ob er die Zahl 30.000 weiter für korrekt halte, er bleibe dabei, " dass viele unschuldige Menschen" ums Leben gekommen seien. Er bezeichnete die Lage im Irak als schwierig, aber betonte zugleich, dass ein Truppenabzug katastrophale Folgen haben würde. Dann nämlich drohe im Herzen des Nahen Ostens die Entstehung eines "Terroristenstaates", der beliebig den Ölhahn zudrehen könne. "Das dürfen wir nicht zulassen", erklärte Bush. Er warnte zugleich, wenn die USA den Kampf gegen die Terroristen im Ausland nicht bis zum Ende führten, "dann werden sie uns hierhin (in die USA) folgen".

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