Bereits zum zweiten Mal verblüfft Chirac die Grande Nation: Teheran könne "dem Erdboden gleichgemacht" werden, so Frankreichs Präsident.
Zum zweiten Male innerhalb eines Jahres verblüfft Jacques Chirac mit "explosiven Aussagen" zum möglichen Einsatz von Atomwaffen. Beide Male richteten sich die Worte gegen den Iran. Doch während der französische Präsident vor einem Jahr in einer wohl präparierten Rede eine klare Drohung an die Adresse Teherans aussprach, hat er sich diesmal vielleicht nur verplappert.
2006: Aufsehen mit Atomaussagen
Im Januar 2006 sorgte Chirac für
Aufsehen, als er Staaten, die zu "terroristischen Mittel greifen"
oder Frankreichs Ölversorgung bedrohen, unverhohlen Atomschläge androhte.
Sein Generalstabschef legte damals nach, Teheran löse mit "äußerst
kriegerischen Absichten" große Besorgnis aus. Die Botschaft war
eindeutig.
Jetzt sprach Chirac in einem lockeren Interview davon, Teheran könnte "dem Erdboden gleichgemacht" werden, wenn der Iran sich Atomwaffen verschaffen und damit Israel angreifen sollte. Doch das Interview war noch nicht auf dem Markt, da bekam der Elyséepalast kalte Füße. Chirac zog die Aussage wieder zurück. Und sie wäre wohl nie öffentlich geworden, wenn sie nur vor französischen Journalisten gefallen wäre. Der Abdruck eines nicht genehmigten Interviews des Staatschefs wäre in Paris tabu.
Heikle Aussagen
Doch Chirac hatte auch vor Journalisten der "New
York Times" und der "International Herald Tribune"
gesprochen. Und die veröffentlichten respektlos sowohl Chiracs heikle erste
Aussagen als auch die korrigierte Version mit seinem Rückzieher. Ihre
französischen Kollegen vom "Nouvel Observateur" schoben die
brisanten Worte zum Iran kommentarlos in einen kleinen Kasten und druckten
auf vier Seiten lieber Aussagen Chiracs zur Pariser Klimakonferenz. So wurde
aus demselben Interview eine völlig andere Geschichte.
Chirac gilt als "Mann, der die Bombe liebt". Der Oberbefehlshaber der drittgrößten Atommacht der Welt ist überzeugt, dass Paris nur dank seiner Kernwaffen ein entscheidendes Wort in der Welt mitreden kann. Deshalb erinnert Chirac gerne ab und zu an die strategischen Kapazitäten seines Landes. Doch derzeit könnten unbedachte Aussagen die Sprengkraft einer Bombe entwickeln. Schließlich sprechen Experten schon von einem Stellvertreterkrieg USA-Iran im Irak und spekulieren darüber, ob US-Präsident George W. Bush einen Griff Teherans zur Atombombe militärisch vereiteln würde. Da liegen bei manchem die Nerven blank.
Kandidatur weiter offen
In Paris wird daher spekuliert, Chirac
habe sich in einer müden Phase einfach vergaloppiert. Mit einer großen
Kraftanstrengung versucht der 74-jährige Präsident derzeit, die letzten
Wochen seiner zwölfjährigen Amtszeit Präsenz zu zeigen und nicht als
Auslaufmodell ("lahme Ente") zu erscheinen. Er lud die Welt zur
Libanon- und zur Klimakonferenz nach Paris und setzt sich bei
Museumsjubiläen und anderen Anlassen in Szene. Sogar die Möglichkeit einer
erneuten Kandidatur im April hält er sich weiter offen.
Doch Chirac ist nicht mehr der Alte. Nach seinem Schlaganfall 2005 musste der einstige "Bulldozer" kürzer treten. Der am Ende verlorene jahrelange Machtkampf mit seinem Innenminister Nicolas Sarkozy um die Führung des Bürgerblocks hat Kraft gekostet. Als Chirac am Montag zum Interview in den Elyséepalast lud, sollte es um die Klimakonferenz gehen. Eine forsche US-Journalistin brachte Chirac aufs falsche Gleis. Bei seinem Rückzieher tags darauf nahm Chirac die Schuld auf sich. "Wir hatten über Umweltfragen gesprochen", sagte er. "Ich hätte mehr aufpassen müssen und sagen müssen: "Wir reden unter uns". Und das habe ich nicht gesagt."