Massaker an 300.000 Zivilisten

Der vergessene Krieg von Darfur

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Mit Wissen der sudanesischen Regierung sollen ab 2003 Hunderttausende Zivilisten getötet worden sein. 

Khartum. Nach den jüngsten Eskalationen in der westsudanesischen Provinz Darfur blickt die Welt wieder auf einen längst vergessenen Bürgerkrieg. Bei Schießereien Anfang April sind in und um die Hauptstadt Al-Dschunaina 137 Menschen getötet und 221 verletzt worden.

Zuletzt waren bei Kämpfen im Jänner – wenige Wochen nach Abzug der UNO-Blauhelme – rund 200 Menschen ums Leben gekommen. Die ex­plosive Lage in Darfur, einer Region etwa so groß wie das spanische Festland, fußt auf mehreren Faktoren.

Ausgangspunkt. Der Ursprung des Konflikts wird auf eine schwere Dürreperiode in den 1980ern zurückgeführt. Weideland schwand, und Vieh verendete. Die Nomadenstämme im Norden Darfurs – überwiegend ethnische Araber – brachen Richtung Süden auf, wo es zu Spannungen und in weiterer Folge zu blutigen Auseinandersetzungen mit den dort sesshaften afrikanischen Stämmen kam. Gründe waren vor allem das knappe Land für den Ackerbau und der Zugang zu Wasser.

Machtergreifung Al-Baschirs änderte die Lage grundlegend

Es gelang den verfeindeten Gruppen aber, ihre Differenzen in „Konferenzen“, ohne die Einmischung der Regierung in Khartum, beizulegen. Khartum half der lokalen Regierung lediglich dabei, die Einhaltung der Vereinbarungen zu überwachen. Das änderte sich, als Langzeitherrscher Umar al-Baschir 1989 nach einem Militärputsch Präsident des Sudan wurde. Er entmachtete die Stammesführer, die sich bis dahin selbst verwaltet hatten, und trieb die „Arabisierung“ der Region voran.

Südsudan. Die afrikanisch-stämmigen Darfuris fühlten sich mit der Zeit ausgegrenzt und diskriminiert. Sie forderten mehr Rechte, aber auch eine Beteiligung an den Erdöleinnahmen in der Provinz. In den Unabhängigkeitsbestrebungen des Südsudan witterten sie die große Chance. Die Regierung hatte mit den Friedensverhandlungen im Bürgerkrieg – rund 400.000 starben – gerade alle Hände voll zu tun. Im Glauben, eine entkräftete Regierung würde auch ihren Forderungen nachgeben, stürmten bewaffnete afrikanische Rebellen im April 2003 den Flughafen in Al-Faschir, töteten 75 Soldaten und zerstörten mehrere Flugzeuge. Zudem wurde der Chef der Luftwaffe gefangen genommen. Der überraschende Angriff war eine Demütigung für die Regierung. Die Antwort erfolgte mit roher Gewalt. Alsdann wurde unter ethnischen Gesichtspunkten nach Kräften gesucht, die die Ordnung wiederherstellen sollten.

Unvorstellbares Massaker an afrikanischer Bevölkerung

Auf dieser Grundlage soll die Rekrutierung der gefürchteten Dschandschawid, einer Reitermiliz, die überwiegend aus arabischen Nomadenstämmen bestand, erfolgt sein. In enger Absprache mit dem Militär soll ab Juli 2003 ein Massaker unvorstellbaren Ausmaßes an der zivilen afrikanischen Bevölkerung stattgefunden haben – laut UN-Schätzungen etwa 300.000 Tote und 2,5 Millionen Vertriebene. Die eingesetzte UNO-Untersuchungskommission berichtete von Massenvergewaltigungen und -exekutionen sowie dem Abbrennen der Dörfer und der Zerstörung der Brunnen, um die Rückkehr zu verhindern. Bis heute dementieren damalige Regierungsmitglieder die Unterstüt­zung oder Zusammenarbeit mit den Dschandschawid.

Sturz. Al-Baschir wurde aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage (siehe rechts) im Zuge friedlicher Proteste im April 2019 vom Militär gestürzt. Die sudanesische Übergangsregierung will ihn wegen der Verbrechen in Darfur an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausliefern. Der Luntenzünder ist damit Geschichte, das Pulverfass bleibt aber.

Larissa Eckhardt

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