Abu Ghraib

Erster Prozess gegen US-Offizier fortgesetzt

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Folterskandal im US-Gefängnis Abu Ghraib in Bagdad: Erstmals muss sich ein Offizier vor Gericht verantworten. Jordan bekannte sich nicht schuldig.

Mit den Eröffnungsplädoyers von Anklage und Verteidigung ist der erste Prozess gegen einen US-Offizier im Folter-und Misshandlungsskandal von Abu Ghraib am Dienstag fortgesetzt worden. Am zweiten Verhandlungstag auf dem Armeestützpunkt Fort Meade (US-Bundesstaat Maryland) sollten auch bereits die ersten Zeugen vernommen werden.

Wegen Behinderung der Justiz und Pflichtverletzung angeklagt
Der 51-Jährige Jordan muss sich wegen Behinderung der Justiz und Pflichtverletzung als Verantwortlicher des Verhörzentrums von Abu Ghraib verantworten. Insgesamt wurden vier Anklagepunkte gegen Jordan vorgebracht. Unter anderem soll er irakische Häftlinge gezwungen haben, sich nackt auszuziehen, und sie mit Hunde-Attacken bedroht haben. Von diesen Vorfällen existieren keine Fotos.

Jordan verletzte nach Auffassung der Anklagevertretung unter anderem seine Aufsichtspflicht als Verantwortlicher des Verhörzentrums von Abu Ghraib. "Er war der zuständige Offizier, der höchste Offizier vor Ort", sagte Tracy. In dieser Funktion habe der Angeklagte die Verhöre organisieren und seine Untergebenen führen sollen. "Die Führung hat gefehlt, er hat seine Pflichten nicht erfüllt", betonte Tracy. Dadurch sei eine Atmosphäre entstanden, in der das Verhörhandbuch als nicht mehr verbindlich angesehen worden sei.

Heeresreservist Jordan war von September bis Dezember 2003 Leiter des Verhörzentrums in dem Gefängnis nahe Bagdad. Der Angeklagte bekannte sich zu Prozessbeginn in allen Anklagepunkten als nicht schuldig.

Dreieinhalb Jahre nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe will die US-Armee mit dem ersten und einzigen Prozess gegen einen Offizier die juristische Aufarbeitung des Skandals abschließen. Bisher hatten sich elf Soldaten niedrigerer Dienstränge einem Militärverfahren stellen müssen.

Prozess begann am Montag
Mehr als drei Jahre nach Bekanntwerden des Folter- und Misshandlungsskandals im ehemaligen US-Militärgefängnis von Abu Ghraib bei Bagdad muss sich seit Montag erstmals ein Offizier vor einem Militärgericht verantworten. Zum Auftakt des Verfahrens auf dem Armeestützpunkt Fort Meade (US-Bundesstaat Maryland) wies Oberstleutnant Steven Jordan die Vorwürfe der Grausamkeit und Misshandlung sowie der Verletzung von Dienstpflichten zurück und bekannte sich nicht schuldig.

Achteinhalb Jahre Haft drohen
Zuvor hatte der Militärrichter die Anklagepunkte der Falschaussage und Rechtsbehinderung aus formalen Gründen abgewiesen. Dem Angeklagten drohen damit nicht mehr bis zu 22, sondern nur noch bis zu achteinhalb Jahren Haft.

Der US-Fernsehsender CBS und das Magazin "New Yorker" hatten Ende April 2004 den Skandal aufgedeckt. Die von US-Militärangehörigen aufgenommenen Fotos in Abu Ghraib lösten weltweit eine Welle der Empörung aus. Die Aufnahmen wurden am Jahresende 2003 gemacht und zeigen Häftlinge, die unter anderem nackt mit einer Hundeleine um den Hals und in anderen erniedrigenden Posen aufgenommen wurden.

Bislang hatten sich elf Soldaten niedrigerer Dienstränge im Zusammenhang mit dem Folterskandal einem Militärverfahren stellen müssen. Heeresreservist Jordan war von September bis Dezember 2003 Leiter des Verhörzentrums in dem Gefängnis nahe Bagdad.

Der Militärrichter in Fort Meade wies die Vorwürfe der Falschaussage und der Rechtbehinderung ab, weil Jordan von dem ermittelnden General nicht ordnungsgemäß über seine Rechte belehrt wurde. Wäre der Offizier in allen ursprünglichen Anklagepunkten schuldig gesprochen worden, hätten ihm nach amerikanischen Medienberichten bis zu 22 Jahre Haft gedroht. Am Montag war noch die Auswahl der Militärjury für das Verfahren geplant.

In den bisherigen Verfahren im Zusammenhang mit dem Missbrauchskandal hatte der als Rädelsführer bei den Misshandlungen geltende Charles Graner mit zehn Jahren Haft die höchste Strafe von allen erhalten. Gegen einige wenige andere neben Steven Jordan beschuldigte Offiziere wurden lediglich Disziplinarmaßnahmen wie Herabstufung ihrer Dienstgrade oder Rügen verhängt.

Jordan ist nicht im Zusammenhang mit diesen dokumentierten Vorfällen angeklagt. Ihm wird vielmehr vorgeworfen, vorausgegangene Gewaltanwendungen in Abu Ghraib gefördert oder zumindest geduldet und damit den späteren Vorfällen Vorschub geleistet zu haben. Die Verteidigung argumentiert unter anderem, dass Jordan zwar Leiter des Verhörzentrums gewesen sei, aber keine "operationelle Kontrolle" über die Vernehmungen gehabt habe. Der Offizier sei weder an Verhören beteiligt gewesen noch habe er zur Kommandokette bei der Genehmigung kontroverser Methoden gehört.

US-Marineinfanterist wegen Mordes im Irak angeklagt
Die US-Militärjustiz hat erneut Anklage gegen einen Soldaten wegen eines im Irak-Einsatz begangenen Mordes erhoben. Unteroffizier Jermaine Nelson sei bereits am Donnerstag wegen Mordes an einem Ausländer angeklagt worden, teilte das Marineinfanteristenkorps am Montag (Ortszeit) auf dem Truppenstützpunkt Camp Pendleton in Kalifornien mit, ohne nähere Angaben zu machen. Ebenfalls am Donnerstag war der frühere Marineinfanterist José Nazario wegen der Erschießung von zwei irakischen Gefangenen angeklagt worden. Zuvor hatten die US-Streitkräfte mitgeteilt, "glaubwürdigen Anschuldigungen" gegen Marineinfanteristen während Kämpfen im westlich von Bagdad gelegenen Falluja im November 2004 nachzugehen.

Laut Medienberichten hatten US-Soldaten während der erbitterten Kämpfe um Falluja acht mutmaßliche Aufständische nach deren Gefangennahme getötet. Der neue Prozess ist bereits die dritte Gerichtsverhandlung um schwere Kriegsverbrechen, die Marineinfanteristen vom Camp Pendleton begangen haben sollen. Fünf Soldaten wurden im Zusammenhang mit der Ermordung von 24 irakischen Zivilisten, darunter zehn Kinder und Frauen, im Dorf Haditha im November 2005 angeklagt. Acht Armeeangehörige waren wegen Mordes an einem irakischen Zivilisten in Hamdania im April vergangenen Jahres zu Haftstrafen zwischen einem und 15 Jahren verurteilt worden.

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