Ukraine-Krise

EU beschloss harte Sanktionen und Sondergipfel

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Michel: Russland unterminiert Europäische Sicherheitsordnung.

Die EU reagiert mit harten Sanktionen und einem Sondergipfel auf die russische Aggression in der Ukraine. Ein Sanktionspaket gegen hunderte Spitzenpolitiker, darunter Verteidigungsminister Sergej Schojgu, ist von den 27 EU-Staaten am Mittwoch im Umlaufverfahren beschlossen worden. Die EU-Kommission stellte daraufhin noch härtere Maßnahmen in den Raum. Darüber wird am Donnerstagabend auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel beraten.

"Die aggressiven Handlungen der Russischen Föderation verletzen Völkerrecht und die territoriale Integrität der Ukraine", betonte EU-Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch in seinem Einladungsschreiben an die EU-Chefs. Zudem würden sie die europäische Sicherheitsordnung "unterminieren". Der Sondergipfel werde am Donnerstag um 20 Uhr in Brüssel unter persönlicher Anwesenheit der 27 Staats- und Regierungschefs stattfinden. Auch die Führung des Europäischen Parlaments wollte am Donnerstag zu außerordentlichen Beratungen mit Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammenkommen, teilte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola mit.

Wie der Rat der Europäischen Union am späten Mittwochnachmittag mitteilte, wurden die Sanktionen im Umlaufbeschluss von den 27 Mitgliedsstaaten beschlossen. Für die folgenden Stunden war die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt geplant. Bereits am Dienstagabend hatten sich die Außenminister der EU-Staaten politisch auf das Sanktionspaket geeinigt.

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, kündigte bereits weitergehende Sanktionen an. Diese sollen kommen, "wenn es zu einer weiteren russischen Aggression und einem weiteren Eindringen in das ukrainische Territorium kommt", so Dombrovskis am Mittwochabend. Dabei könnte es etwa um Exportkontrollen gehen.

Die am Mittwoch beschlossenen Sanktionen treffen zunächst die politische Elite des Landes. Betroffen seien etwa jene 351 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk gestimmt haben. Hinzu kommen Strafen gegen 27 weitere Personen und Organisationen. Konkret werden sämtliche Vermögenswerte der Betroffenen eingefroren, sie dürfen keine Geschäfte mehr in der EU machen und auch nicht mehr einreisen. Darüber hinaus sollen der Zugang des russischen Staates zu den EU-Finanzmärkten beschnitten und der Handel der EU mit den abtrünnigen Regionen beschränkt werden.

Schweiz mit Sanktionen

Die EU kann bei der Durchsetzung ihrer Sanktionen auch auf die indirekte Unterstützung des wichtigen Finanzplatzes Schweiz bauen. Zwar wolle man zunächst keine eigenen Maßnahmen gegen Russland ergreifen, doch auch vermeiden, dass die Schweiz zur Umgehung der EU-Sanktionen genutzt werden könne, teilte der Bundesrat (Regierung) am Mittwoch in Bern mit. Daher werde man die EU-Sanktionen "analysieren und anschließend entscheiden".

Die britische Regierung ordnete am Mittwoch an, dass Russland am Finanzplatz London keine Staatsanleihen mehr platzieren kann. "Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir den Zugang Russlands zu den britischen Märkten einschränken werden", sagte Außenministerin Liz Truss. Aus Regierungskreisen verlautete zudem, dass Premier Boris Johnson in der nächsten Sanktionsrunde größtmögliche Strafmaßnahmen gegen Russland verhängen wolle. Johnson habe sich gegenüber Behördenvertretern und Bankenchefs entsprechend geäußert.

Das ukrainische Parlament stimmte unterdessen ebenfalls Sanktionen gegen 351 russische Personen zu, darunter auch Abgeordnete der Duma, die für die Anerkennung der abtrünnigen Provinzen Luhansk und Donezk votiert hatten. Demnach dürfen die Betroffenen nicht mehr in die Ukraine einreisen und auch keine Vermögenswerte in dem Land mehr erwerben. Vom Westen forderte die Regierung in Kiew härtere Sanktionen gegen Russland. Die Maßnahmen müssten gegen die Wirtschaft des Landes und den inneren Kreis von Präsident Putin gerichtet sein, schrieb Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter. "Schlagt mehr drauf. Schlagt hart. Schlagt jetzt", schrieb er.

Auch Japan ergriff erste konkrete Strafmaßnahmen gegen Russland. In Japan dürften keine russischen Anleihen mehr ausgegeben werden und die Vermögenswerte bestimmter russischer Personen würden eingefroren, erläuterte Ministerpräsident Fumio Kishida. Die Regierung in Tokio werde weitere Schritte in Erwägung ziehen, sollte sich die Lage in der Ukraine verschlechtern. Auch Kanada und Australien hatten Strafmaßnahmen verkündet. Deutschland legte die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 auf Eis.

Die US-Regierung kündigte Sanktionen gegen zwei große russische Banken, gegen den Handel mit russischen Staatsanleihen und gegen Unterstützer Putins und deren Familien an. Biden betonte, die USA seien zu noch härteren Strafmaßnahmen bereit, falls Russland sein Vorgehen gegen die Ukraine weiter vorantreibe. Ein US-Regierungsbeamter sagte, in diesem Fall sei "keine russische Finanzinstitution sicher". Ebenso könnten Exportkontrollen folgen. Auch ein Ausschluss Russlands aus dem internationalen Bezahlungssystem Swift sei bei einer Eskalation immer noch möglich. Laut dem US-Sender CNN wollte Biden am Mittwoch auch Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG bewilligen.

Putin hatte am Montag ungeachtet großen internationalen Protests die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt und eine Entsendung russischer Soldaten angeordnet. Der Westen wirft Putin vor, gegen Völkerrecht zu verstoßen.

Gegen Putin persönlich wurden vorerst keine EU-Sanktionen verhängt, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Dienstagabend nach einem Sondertreffen der EU-Außenminister in Paris bestätigte. Man habe so entschieden, um weitere Maßnahmen in Reserve zu haben.
 

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