Kritik auch an Provokationen und unverhältnismäßiger Reaktion Moskaus.
Bei der Suche nach den Gründen für den Kaukasus-Krieg zwischen Georgien und Russland vor 13 Monaten hat eine unabhängige Untersuchungskommission im Auftrag der EU der offiziellen Darstellung Georgiens widersprochen. Zugleich übte die von der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini geleitete Untersuchungskommission auch scharfe Kritik an "unverhältnismäßigem" Vorgehen Russlands. Moskau lobte den Bericht der unabhängigen Experten zum fünftägigen Südkaukasus-Krieg vom August 2008 als objektiv.
Untersuchungsbericht
In dem am Mittwoch in Brüssel
veröffentlichten Untersuchungsbericht heißt es, die georgische Behauptung,
es habe vor dem Einmarsch georgischer Truppen in das abtrünnige Südossetien
eine "groß angelegte russische Invasion" in Südossetien gegeben, habe nicht
bewiesen werden können. Zur Frage, ob der georgische Beschuss der
südossetischen Metropole Zchinwali in der Nacht auf 8. August gerechtfertigt
war, heißt es in dem Bericht: "Er war es nicht." Tagliavini stellte fest:
"Es gab keinen laufenden militärischen Angriff Russlands vor dem Beginn der
georgischen Operation."
Russische Provokation
Moskau habe jedoch in den Monaten zuvor zur
Destabilisierung der von Georgien abtrünnigen Region
Südossetien beigetragen. Es habe Provokationen gegeben. So habe
Moskau russische Pässe an die Einwohner von Südossetien und Abchasien
verteilt und so die Spannungen mit Tiflis vergrößert.
Waffenstillstand
Russlands Einsatz des Militärs zur Verteidigung
sei in der ersten Phase des Konflikts grundsätzlich legal gewesen.
Allerdings sei fraglich, ob das spätere Vorrücken russischer Truppen in das
georgische Kernland "notwendig und verhältnismäßig" gewesen sei. Es scheine
so zu sein, "als ob ein großer Teil der russischen Militäraktion weit über
die vernünftigen Grenzen der Selbstverteidigung hinausging". Die späteren
Zerstörungen durch Russland nach dem Waffenstillstandsabkommen seien "in
keiner Hinsicht gerechtfertigt gewesen".
Aggressor
Der unter Leitung der Schweizer Diplomatin Heidi
Tagliavini erstellte Untersuchungsbericht nenne Georgien zu Recht als
Aggressor, sagte der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow nach
Angaben der Agentur Interfax am Mittwoch nach Auswertung des
Tagliavini-Berichts in Brüssel. "Der Bericht ist im Großen und Ganzen
objektiv, darin ist die Schlussfolgerung enthalten, dass Georgien mit der
Aggression gegen Südossetien begonnen hat", sagte Tschischow. Georgien hat
die Hauptschuld immer Russland gegeben.
Hunderte Tote
Bei den fünf Tage währenden Kämpfen waren Hunderte
Menschen getötet und tausende verletzt worden. Beide Seiten stimmten
schließlich einem von
der EU vermittelten Waffenstillstand zu. Die Fronten bleiben aber
verhärtet. Moskau und Tiflis haben weiterhin keine diplomatischen
Beziehungen zueinander. Politisch und wirtschaftlich sind die abtrünnigen
Regionen, die nach dem Krieg von 2008 von Russland, Venezuela und Nicaragua
als unabhängige Staaten anerkannt wurden, bis heute von Moskau abhängig. Der
Zerfallsprozess Georgiens hatte bereits Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre
beim Zerfall der Sowjetunion seinen Ausgang genommen.