Das Oberste Gericht der USA hat den Insassen des Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba das Recht auf Zugang zu ordentlichen Gerichten gewährt.
Das war den ausländischen Terrorverdächtigen, die von der Regierung zum Teil schon seit sechs Jahren als "ungesetzliche feindliche Kämpfer" festgehalten werden, bisher verweigert worden. Rechtsexperten sprachen von einem Urteil von möglicherweise enormer Tragweite.
Bush enttäuscht
Bush reagierte bereits auf das Urteil: Er
sei enttäuscht über das dritte Urteil gegen seine Regierung im Zusammenhang
mit Guantanamo. Das Urteil betrifft seiner Ansicht nach aber nicht die
Militärgerichtsprozesse, sondern nur das Verfahren, nach dem feindliche
Kämpfer festgehalten werden. Man werde sich an die Auflagen halten und
prüfen, ob ein neues Gesetz oder andere Maßnahmen erforderlich seien.
Schwere Schlappe für US-Regierung
Es war das dritte Mal in
vier Jahren, dass die höchste Instanz den Häftlingen das Recht einräumte,
vor Zivilgerichte zu ziehen. Jedes Mal hatte die US-Regierung jedoch mit
Hilfe des damals noch republikanisch beherrschten Kongresses Gesetze
geändert, um die bisherigen Regeln beibehalten zu können. Außerdem wurde ein
Verfahren zur jährlichen Überprüfung des Status jedes einzelnen Gefangenen
eingeführt. Dabei wird von einem militärischen Gremium in einer Anhörung
entschieden, ob der jeweilige Häftling in Gewahrsam bleibt, freigelassen
oder an sein Heimatland überstellt wird. Während die US-Regierung von
US-Präsident George W. Bush darin eine faire Praxis sieht, ist ihr Vorgehen
international auf massive Kritik gestoßen.
Vor Willkürakten schützen
Die Entscheidung des
Obersten Gerichts fiel mit fünf zu vier Stimmen. Die Mehrheit der Richter
kam zu dem Schluss, dass ein seit dem Mittelalter geltendes Grundrecht, das
jedem Menschen die Anfechtung seiner Gefangenschaft vor einem Gericht
erlaubt, auch für die Guantanamo-Häftlinge zu gelten hat. Die Gesetze und
die Verfassung seien so angelegt, dass sie auch in "ungewöhnlichen
Zeiten" Geltung hätten, schrieb Richter Anthony Kennedy in der
Urteilsbegründung. Die Wahrung von Freiheitsrechten und Sicherheitsbelange
müssten kein Widerspruch sein. Nach Medienberichten wurde in dem Urteil
zugleich das geltende Verfahren bei der Einstufung der Gefangenen als "ungesetzliche
feindliche Kämpfer" als rechtlich unzureichend bezeichnet.
270 Menschen festgehalten
In dem Gefangenenlager werden zurzeit
noch etwa 270 Männer festgehalten, fast alle von ihnen ohne Prozess und
sogar ohne jede Anklage. Unter den Häftlingen befinden sich auch fünf
mutmaßliche Hauptverantwortliche der Anschläge vom 11. September. Ihnen soll
nach dem Willen der US-Regierung nach einer ersten Anhörung in der vergangen
Woche im September der Prozess vor einem Sondergericht gemacht werden.
Welche Auswirkungen das Urteil des höchsten Gerichts auf diese und
schätzungsweise bis zu 80 weiter geplante Prozesse hat, blieb zunächst
unklar.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die sich für die Rechte der Guantanamo-Insassen eingesetzt hat, begrüßte das Urteil. Es sei eine echte Schande, dass die Bush-Regierung im 21. Jahrhundert für sich das Recht in Anspruch genommen habe, jemanden einzusperren und den Schlüssel wegzuwerfen, sagte Daila Hashad von Amnesty International USA.