Wie gefährlich ist der "Rebellion"-Gründer?

Klimaschutz-Extremismus: "Bei Unmoral wird die Demokratie irrelevant"

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Extinction Rebellion kämpft für ähnliche Ziele wie Fridays for Future – allerdings mit härteren Mitteln.

Wien/Österreichweit. Die Umweltbewegung "Extinction Rebellion" (XR, "Aufstand gegen das Aussterben") hat ein Hauptziel: "das Überleben der Menschheit im nächsten Jahrhundert". Mit den Mitteln eines gewaltfreien zivilen Ungehorsams der Massen will man es erreichen, erklärte Paul Sajovitz vom Österreich-Ableger der in Großbritannien entstandenen XR. Für ihn ist die ökologische Krise nicht zuletzt auch eine Systemkrise.
 
"Wir fordern daher auch keine Einzelmaßnahmen, sondern einen fundamentalen Systemwandel", so Sajovic. Der Aufstand folgt einem einfachen Konzept, das auf drei Forderungen basiert: "Die Wahrheit sagen", was die ökologische Krise betrifft - "Jetzt handeln" und zwar mit dem Ziel, Netto-Null-Emissionen bis 2025 zu erreichen. Und "Politik neu leben", indem die Regierenden Bürgerinnenversammlungen einberufen, die dann rechtlich bindende Gesetzesvorschläge ausarbeiten sollen, erläuterte der Ökologiestudent den wohl radikalsten Inhalt.
 
Klimaschutz-Extremismus:
© . AFP
 

Systemveränderung gefordert

 
Die "Extinction Rebellion" wendet sich dabei auf Menschen aus allen Schichten und allen politischen Couleurs, solange die zehn Prinzipien akzeptiert werden, denn "Alle sind willkommen - So wie sie sind" heißt eines davon. "Gewaltfreiheit ist dabei die Basis alles Tuns", hob Sajovitz ein weiteres hervor. Ebenso gilt es nicht, einen Feind auszumachen, der bekämpft werden soll, denn "No blaming, no shaming" bedeutet Vermeiden von Beleidigungen und Schuldzuweisungen. Das Erreichen des Notwendigen wird letztendlich anvisiert, "nämlich die 3,5 Prozent der Bevölkerung zu mobilisieren, die nötig sind, um Systemveränderungen durchzusetzen".
 
Die bisher größte Aktion führten britische Aktivisten im April in London mit Hilfe von Straßen- und Brückenblockaden durch, rund ein halbes Jahr nach der Gründung der Bewegung. Über 1.000 Festnahmen gab es damals, einige Teilnehmer klebten sich da gar an den Eingang zur Londoner Börse. Im April wurden auch die Aktivisten in Österreich tätig, seit Dezember besteht hierzulande. 50 bis 60 Menschen zähle man zum "harten Kern", rund zehnmal so viele sind bisher insgesamt bei XR-Austria tätig. Und der Zulauf halte weiterhin an, sagte Aktivistin Julia Weiß. Es ginge dabei auch darum, der Bevölkerung ein "Gefühl der Selbstermächtigung" zu vermitteln.
 
Die Vertreter der "Extinction Rebellion" betrachten sich dabei keineswegs als Konkurrenz zu althergebrachten Umwelt-NGOs, organisiert ist man in Arbeitskreisen und man agiere dezentral und unentgeltlich. Stattdessen könnte man sich vorstellen, eine Art Vorreiter zu werden, ein "Movement of the Movements", wie es Weiß ausdrückt, die erst seit ein paar Wochen bei XR dabei ist. Daher arbeite man auch abseits des parteipolitischen Systems, um die "Leute wachzurütteln". "Wenn wir wollen, können wir den Diskurs verändern", ist sie sich sicher. Das sei notwendig, denn "wir steuern beinahe ungebremst auf den Kollaps der menschlichen Zivilisation zu", ist sich Sajovitz sicher.
 

Festnahme von Mitgründer

 
Roger Hallam, Mitgründer der Extinction Rebellion, wollte mit mehreren Aktivisten den Flughafen Heathrow lahmlegen. Die Gruppe wollte zahlreiche Drohnen starten, um den Flugverkehr zum Stillstand zu bringen. Die Aktion scheiterte jedoch zunächst – womöglich aufgrund der hohen Polizeipräsenz rund um den Flughafen.
 
In einem Interview mit dem "Spiegel" erklärte Hallam, dass er bereit wäre eine Gefängnisstrafe in Kauf zu nehmen, "weil wir vor der größten Katastrophe der Menschheitsgeschichte stehen."  Laut des Extinction-Rebellion-Mitgründers müssen zwei Dinge passieren: "Erstens muss Protest spürbare wirtschaftliche Konsequenzen haben, denn das ist der schnellste Weg, Aufmerksamkeit zu bekommen. Zweitens müssen die Menschen sich emotional ehrlich machen: Wir zerstören gerade wissentlich und deshalb vorsätzlich, die Träume unserer Kinder. Es gibt kein größeres Verbrechen als das."
 
Klimaschutz-Extremismus:
© ISABEL INFANTES / AFP
 
Zu den Prinzipien der Extinction Rebellion gehöre Gewaltfreiheit, aber auch illegale Blockaden und Gesetzesbrüche: "Konventionelle Aktionsformen wie Demos, E-Mail-Kampagnen und Lobbyarbeit sind Schrott, sie haben nicht den nötigen Effekt", erklärte Hallam gegenüber dem "Spiegel". Kurz nach dem Interview wurde Roger Hallam verhaftet. Er selbst vermutet, dass dies aufgrund der geplanten "Drohnen-Aktion" am Flughafen Heathrow zusammenhängen würde.
 

Platz der Menschenrechte in Wien besetzt 

Rund 100 Aktivisten der Umweltgruppe Extinction Rebellion (XR) haben am Montag in Wien - parallel mit anderen Städten weltweit - für den Klimaschutz demonstriert. In der Bundeshauptstadt wurde Punkt 12.00 Uhr die Kreuzung beim Platz der Menschenrechte besetzt. "Wir bleiben bis zur Auflösung", kündigte ein Aktivist der APA an. Die Polizei sei über die Aktion kurzfristig informiert worden.
 
Bis auf einen kurzen Hup-Protest einiger Autofahrer verlief die Aktion auf der Kreuzung Getreidemarkt mit der Babenbergerstraße vorerst friedlich. Per Aussendung teilte die Bewegung mit, dass entstandene Verzögerung im Verkehr ihnen zwar leidtuen würden, aber die Untätigkeit der Politik ließe keine andere Wahl. 15 Minuten später gab es dann auch keinen direkten Kontakt mit dem Autoverkehr mehr, die Polizei hatte diesen zügig umgeleitet.
 
Im Zentrum der Blockade befand sich eine Erdscheibe aus Aluminium, an die sich anfangs rund zehn Aktivisten angeklebt hatten. Mehrere Tuben Superkleber luden ein, es ihnen gleich zu tun, Schilder warnten mit den Worten "Vorsicht, ich bin angeklebt". Andere der betont friedlichen Rebellen verteilten Infomaterial an Passanten. "Aus Liebe zu den Menschen, Pflanzen und Tieren, stehen wir auf um zu rebellieren", sang eine Aktivistin, später skandierte man gemeinsam den Pop-Klassiker "Lollipop"
 
Ein Aktivist hatte per Megafon die drei XR-Forderungen verlautbart: "Handelt sofort" gegen die Klimakrise und "setzt eine unabhängige Bürgerinnenversammlung ein". Letztere solle rechtlich bindende Gesetzesvorschläge ausarbeiten, denn der Politik traue man nicht mehr.
 
Die Blockade der Kreuzung Getreidemarkt - Babenberger Straße in der Wiener Innenstadt durch laut Polizeiangaben etwa 150 Aktivisten der Umweltgruppe Extinction Rebellion (XR) hat mit der vorübergehenden Anhaltung von 60 Manifestanten geendet. Dies diente einer Aussendung der Exekutive zufolge der Identitätsfeststellung, weil diese aus verschiedenen Gründen nicht möglich gewesen sei.
 
Die Wiener Polizei zeigte sich zum Verlauf der Aktion zufrieden: Es habe weder bei den Aktivisten noch bei den Beamten im Zuge der Auflösung der Kundgebung Verletzte gegeben, "die Versammlung ist als friedlich einzustufen", hieß es. 75 Manifestanten werden nach dem Versammlungsgesetz angezeigt, kündigte die Polizei an. 
 

Umweltschutzbewegung setzte Aktion in Paris fort

 
Demonstranten der Umweltbewegung Extinction Rebellion haben ihre Blockade in der Pariser Innenstadt fortgesetzt. Wie der Nachrichtensender BFMTV am Dienstag berichtete, besetzten mehrere Hundert Aktivisten weiter einen zentralen Platz in der Nähe der Seine und eine Brücke. In Berlin hat die Polizei unterdessen die Räumung einer Straßenblockade am zentralen Potsdamer Platz wieder aufgenommen.
 
Extinction Rebellion (auf Deutsch etwa: Rebellion gegen das Aussterben) kommt ursprünglich aus Großbritannien. Die Gruppe fordert unter anderem, dass die nationalen Regierungen sofort den Klimanotstand ausrufen. Anhänger der Umweltbewegung protestierten am Montag auch in Wien, Amsterdam und London. Blockaden gab es weiters im australischen Sydney und in Wellington in Neuseeland. In London wurden mehr als 130 Festnahmen ausgesprochen.
 
Laut Extinction Rebellion besetzten mehrere hundert Demonstranten die Nacht über den Potsdamer Platz und den großen Verkehrskreisel an der Siegessäule im Tiergarten. Am Potsdamer Platz bestand die Blockade den Aktivisten zufolge inzwischen nur noch aus Menschen, die sich etwa an einen Lastwagen und eine Kutsche gekettet hatten. Feuerwehrleute waren damit beschäftigt, diese Vorrichtungen zu lösen. Rund 300 Demonstranten, die in der Nacht in Schlafsäcken und Zelten auf dem Potsdamer Platz ausgeharrt hatten, hätten die Fahrbahn dagegen inzwischen verlassen, berichtete das Bündnis. Laut Polizei hatten sich die Einsatzkräfte während der Nacht vom Potsdamer Platz zurückgezogen und die Demonstranten gewähren lassen. Dienstagfrüh wurde der Räumeinsatz fortgesetzt.
 
Extinction Rebellion will mit Aktionen zivilen Ungehorsams den Druck auf die Regierungen erhöhen, mehr gegen den Klimawandel zu tun. In den kommenden beiden Wochen plant das Aktionsbündnis Proteste in rund 60 Städten rund um den Globus.
 
 
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