Merkel beführwortet Tusks Danziger Museumsprojekt. Die Wirtschaftsminister sollen über die strittige Gaspipeline sprechen.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der neue polnische Ministerpräsident Donald Tusk streben nach zweijährigen Spannungen einen Neuanfang in den deutsch-polnischen Beziehungen an. Besonders die drei großen Streitfragen wollen sie rasch lösen, so der Tenor nach dem Antrittsbesuch von Tusk am Dienstag in Berlin. Dabei handelt es sich um um das Projekt eines Vertriebenen-Zentrums in Berlin, die Entschädigungsforderungen deutscher Vertriebener sowie die geplante deutsch-russische Gaspipeline durch die Ostsee, die Polen als Transitland umgeht.
Tusk mit Merkel "gemeinsame Sprache" gefunden
"Es darf
keine Tabu-Themen geben", sagte Tusk nach dem zweistündigen Treffen. "Wir
sind Freunde". Freunde müssten miteinander sprechen. Er habe mit Merkel in
kurzer Zeit "eine gemeinsame Sprache gefunden". Auch die Kanzlerin sagte:
"Wir haben uns vorgenommen, um kein Problem einen Bogen zu machen. Merkel
hatte den polnischen Regierungschef am Dienstagvormittag mit militärischen
Ehren empfangen und anschließend mit ihm zu Mittag gegessen. Am Nachmittag
wollte Tusk mit dem deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler im Schloss
Bellevue zusammentreffen.
Merkel bezeichnete Tusks Vorschlag als interessant, in Danzig ein Weltkriegsmuseum zu errichten, das auch auf die Vertreibungsproblematik eingehen soll. Dies sei aber keine Alternative zu der von der deutschen Bundesregierung in Berlin geplanten Dokumentationsstätte zum Thema Vertreibung. Zugleich betonte Merkel, dass "dieses Projekt nicht die Absicht" habe, "Ursachen und Folgen des Zweiten Weltkriegs in irgendeiner Weise zu relativieren". Eine Delegation solle die Details des geplanten Dokumentationszentrums mit dem Namen "Sichtbare Zeichen" in Warschau erläutern.
Keine Entschädigung für Vertriebene an Polen
Ausdrücklich
lehnte Merkel erneut Entschädigungsforderungen deutscher Vertriebener an
Polen ab und verwies dazu auf die von den ehemaligen Präsidenten Johannes
Rau und Aleksander Kwasniewski unterzeichnete Danziger Erklärung. Für
Entschädigungsansprüche gebe es keinen Raum. Die Haltung Tusks, was die
polnische Ablehnung der deutschen Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach
als Gremienmitglied des geplanten Dokumentationszentrums in Berlin betrifft,
änderte sich mit dem Treffen dennoch nicht. "Von solchen Projekten, die uns
verbinden sollen, sollten jene Personen ferngehalten werden, von denen wir
nicht auf beiden Seiten der Grenzen überzeugt sind," erklärte Tusk.
Wirtschaftsminister suchen Einigung zu Gaspipeline
Über die
umstrittene deutsch-russische Gaspipeline sollten laut Merkel zunächst die
Wirtschaftsminister Polens und Deutschlands sprechen. Es werde nach einer
Möglichkeit gesucht, polnische Forderungen in die Pläne einzubeziehen, sagte
sie. Tusk regte zudem eine Einbeziehung Russlands an. Warschau lehnt die
Erdgasleitung bisher ab, weil sie ohne Beteiligung Polens vereinbart wurde.
Chance auf Verbesserung der Beziehungen Berlin - Warschau
"Wie
wir wissen, verschwinden Probleme zwischen den Staaten nicht deshalb, weil
es in einem von ihnen zu einem Regierungswechsel gekommen ist", hatte Tusk
unmittelbar vor seinem Berlin-Besuch der Internetausgabe von "Bild" gesagt.
Der Schluss, dass er die Deutschland-Politik seines Vorgängers Jaroslaw
Kaczynski in wesentlichen Punkten fortsetzen dürfte, lag nahe. Tusk war vor
knapp vier Wochen als Ministerpräsident vereidigt worden und bereits zu
Antrittsbesuchen in Brüssel bei der EU und der NATO, in Litauen sowie in
Tschechien. Berlin wie auch Brüssel erhofften sich von Tusk von Anfang an
eine Verbesserung der Beziehungen zu Warschau.