Nationalist Nikolic hat in Serbien die erste Runde der Präsidentenwahl gewonnen. Die Stichwahl gegen Amtsinhaber Tadic findet im Februar statt.
Wie die Wahlkommission in der Nacht auf Montag nach Auszählung von 85 Prozent der Stimmen mitteilte, kam Nikolic auf 39,6 Prozent der Stimmen. Auf den pro-europäischen Amtsinhaber Boris Tadic entfielen demnach 35,5 Prozent. Beide Politiker treffen sich nun in einer Stichwahl am 3. Februar wieder.
Keine Überraschung
Dass Nikolic im ersten Durchgang siegte,
ist keine Überraschung. Aber etwas enttäuscht könnte der amtierende Chef der
Serbischen Radikalen Partei (SRS) doch sein. "Es wird keine Stichwahl geben.
Am 3. Februar werde ich bereits groß herrschen", zeigte er sich noch vor
wenigen Tagen überzeugt. Dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung - wohl auch
deshalb, weil die Wahlbeteiligung mit über 60 Prozent alle Erwartungen
übertraf. Denn wären die europaorientierten Wähler am Sonntag größtenteils
zu Hause geblieben, hätte Nikolic möglicherweise die notwendige
50-Prozent-Hürde tatsächlich gemeistert.
In der Stichwahl hat nun Tadic die Chance, seinen Widersacher erneut zu besiegen - wie bereits vor vier Jahren. Damals befand sich Tadic in einer ähnlichen Situation, als Nikolic im ersten Wahlgang mit rund 100.000 Stimmen Vorsprung siegte. Doch diesmal wird es für Tadic enger. Er muss auf eine ebenso hohe Beteiligung wie im ersten Wahlgang, die Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der EU und vor allem auf Hilfe von Kostunica hoffen.
Tadic kann am 3. Februar nur siegen, wenn er die Unterstützung aller Parteien des "demokratischen Blocks" erhält - einschließlich der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) von Kostunica, sind alle Analytiker überzeugt. Nikolic wiederum kann auf eine disziplinierte Wählerschaft bauen. Überrascht hat er in den vergangenen Wochen mit einer ungewohnt "weichen" Rhetorik und einer weniger aggressiven und nationalistischen Politik, um Stimmen aus dem "demokratischen Lager" zu hamstern. Demgegenüber buhlte Tadic offensichtlich um Stimmen aus dem "nationalen Block".
Unterstützung der Liberalen
Die Liberaldemokratische Partei
(LDP) von Cedomir Jovanovic und die G17plus signalisierten bereits im
Wahlkampf, Tadic unterstützen zu wollen. Kostunica verweigerte im ersten
Wahlgang die Unterstützung für Tadic und stellte seinen
Infrastrukturminister Velimir Ilic, Chef der Partei Neues Serbien, als
Kandidaten auf. Ilic errang mit etwa acht Prozent gerade die Hälfte jener
Stimmen, die sich die Koalition aus DSS und Neues Serbien bei der
vorjährigen Parlamentswahl gesichert hatte. Dies könnte darauf hindeuten,
dass sich ein beträchtlicher Teil der national-konservativ orientierten
Wähler bereits am Sonntag für Nikolic entschieden hatte. Doch das Wort von
Kostunica hat unter seinen Anhängern großes Gewicht. Wie er sich vor der
Stichwahl entscheiden wird, ist aber völlig unklar. Der Premier hält sich -
wie zumeist in solchen Fällen - total bedeckt.
Wie die Dinge im Moment stehen, darf Tadic nicht zu sehr auf Schützenhilfe von Kostunica hoffen. Vor allem bei der für 28. Jänner von Tadic erhofften Unterzeichnung des SAA-Abkommens könnte es sich spießen. Denn Kostunica will von einer EU-Annäherung nichts wissen, sollte Brüssel weitere Schritte in Richtung Unabhängigkeit des Kosovo unternehmen. Auch Tadic ist strikt gegen die Loslösung des Kosovo von Serbien, sieht aber die Zukunft Serbiens einzig in der EU.
Regierung hängt von Tadic-Sieg ab
Vom Ausgang der
Präsidentenwahl hängt auch die Zukunft der serbischen Regierung ab. Denn
sollte Tadic nicht von Kostunica unterstützt werden und eine Niederlage
gegen Nikolic einstecken, würde dies wohl zum Sturz der Regierung führen.
Durchaus vorstellbar ist, dass sich die Tadic-Partei danach in Opposition
begibt und Kostunica sich für Nikolic als neuen Partner entscheidet. Dann
hätte Serbien völlig neue (partei-)politische Strukturen, die nicht
unbedingt den EU-Beitritt als wichtigstes Ziel auf ihre Fahnen heften würden.