Deutschland:

Online-Ohnmacht bei Terrorfahndern

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Während Islamisten kräftig im Internet werben, fehlt es den Beamten an Technik und Arabisch-Kenntnissen.

Das Todesvideo beginnt mit einem bunt animierten Symbol der Terrorgruppe. Dann setzt schmissige arabische Musik ein. Ein Fahrzeug des US-Militärs fährt von rechts ins Bild - und wird von einer Bombe zerrissen. Eines von dutzenden Videos von Anschlägen, die jede Woche zur Propaganda aus islamistischen Internet-Seiten auftauchen. Schätzungen zufolge gibt es inzwischen fast 5.000 radikale Islamisten-Websites. Nicht gezählt die Chatrooms, wo Terrorgruppen einander kontaktieren und neue Kämpfer anwerben.

Krasser Personalnotstand
Doch die deutschen Fahnder sind machtlos gegen die Entwicklung. Sie sind personell stark unterbesetzt, sprechen selten Arabisch und haben kaum Kompetenzen. Nun will die deutsche Regierung mehr Geld und mehr Web-Fahnder zur Überwachung des wuchernden Terrornetzes zur Verfügung stellen. Das deutsche Innenministerium hüllt sich in Schweigen, wie viele Beamte derzeit vor den Rechnern nach Terrorhinweisen suchen. Aus ermittlungstaktischen Gründen gibt es keine Auskünfte. Experten schätzen aber, dass etwa 300 Mitarbeiter bei Polizei und Geheimdiensten für Internet-Fahndung zuständig sind. Davon sind nur wenige Dutzend für den islamistischen Terror zuständig.

Doch diesen fehlt es wiederum oft an der Sprachkompetenz. "Die meisten der Beamten sprechen nur Englisch und Deutsch", sagt Bernd Carstensen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), der früher selbst im Landeskriminalamt Schleswig-Holstein war. "Arabisch ist die absolute Ausnahme." Der Verfassungsschutz hat inzwischen zwar einige Islamwissenschaftler eingestellt, die auch von der Polizei ausgeliehen werden. "Aber es sind viel zu wenige", sagt Carstensen. "Da müssen unbedingt mehr Leute kommen."

Heute ist es deshalb für die Terror-Fahnder nicht zu bewerkstelligen, in die Tiefen des islamistischen Netzes einzudringen. So werden zwar bei den Verfassungsschutzämtern jeden Tag einige hundert offen zugängliche Internet-Seiten durchforscht. "Da werden aber natürlich kaum die Vereinbarungen für Anschläge getroffen", sagt ein Verfassungsschützer. Dazu müsse man in geschlossene Gesprächszirkel eindringen. "Da kann man dann vielleicht zwei am Tag knacken", sagt er. "Das ist ein zu großer technischer Aufwand." Denn diese Zirkel sind meistens durch Passwörter geschützt, die nur sehr schwer zu umgehen sind.

Technische Unzulänglichkeit
Dazu kommt eine unzureichende Technik der Behörden. "Dort wird oft nur Google benutzt", sagt Carstensen. "Aber das ist ja wieder eine Suchmaschine, die selbst schon viele strafbare Seiten geblockt hat." Neue Lösungen würden aber von den Behörden nur zögerlich angenommen. "Da wird oft geguckt, was können wir selber machen statt Sachverstand von außen ranzuholen ", sagt Carstensen. Das bemängelt auch Bert Weingarten von der Hamburger Internet-Sicherheitsfirma Panamp, die sich seit Jahren mit der Suche nach Islamisten im Internet beschäftigt. "Die Experten wurden in den letzten Jahren ausgegrenzt", sagt er. "In den acht Jahren unter Otto Schily haben neue Techniken keinen Einzug gehalten."

Weingarten schlägt vor, mit so genannten "Robots" nach islamistischen Inhalten zu suchen. Diese durchforsten selbstständig das Internet nach vorgegeben Kriterien. Sie dringen auch in arabisch- oder türkischsprachige Websites und in geschlossene Gesprächszirkel ein. "Die gefundenen Inhalte können dann von den Beamten analysiert werden. " Auch dafür wären seiner Meinung nach geschulte und des Arabischen mächtige Beamte nötig, allerdings weit weniger als bisher.

Doch auch mit besserer Technik ist es nach derzeitiger Rechtslage ein weiter Weg bis zum Fahndungserfolg. Denn findet ein Terrorfahnder etwas Strafbares, wird es kompliziert. Der Beamte muss die Website per Screenshot fotografieren. Mit dem Bild muss er ein Ermittlungsverfahren beantragen. Dann muss er den Server-Betreiber finden. Oft stehen Server mit extremistischen Inhalten aber im Ausland. Deshalb müsste der Beamte nun erst einmal die Hilfe der ausländischen Behörden erbitten. "Das kann dann natürlich eine langwierige Geschichte werden", sagt BDK-Sprecher Carstensen. "Bis man da an seinem Ziel ist, kann man ziemlich sicher sein, dass der entsprechende Inhalt nicht mehr auf der Seite ist."

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