Flüchtlingskrise

Merkels Asylpolitik: Erfolg oder Scheitern?

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Widersacher in Europa, Berlin und München.

Sie tut es nicht. Sie sagt nicht, was die Schwesterpartei CSU mit dem Vorsitzenden Horst Seehofer so vehement von ihr verlangt. Auch nicht nach dem CDU-Wahldesaster und dem Aufstieg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD).

Die CDU-Chefin und deutsche Kanzlerin Angela Merkel findet es weiterhin nicht richtig, wie sich Staaten entlang der sogenannten Balkanroute mit Grenzschließungen derart gegen Flüchtlinge abschotten, dass nun das finanzschwache Griechenland als letztes Glied in der Kette auf dramatische Weise mit tausenden Hilfesuchenden konfrontiert ist.

Dabei profitiert auch Merkel davon, weil viel weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen als im vorigen Jahr. Aber sie schlachtet das politisch nicht aus.

Gefahr neuer Fluchtrouten
Stattdessen sagt sie am Mittwoch in ihrer Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel: "Die momentane Erleichterung ist das eine. Die Lage in Griechenland das andere. (...) Der Zustand dort kann und darf nicht von Dauer sein."

Außerdem bestehe die Gefahr, dass Schlepper jetzt neue und komplizierte Fluchtrouten auskundschaften und ihr kriminelles Geschäft weiterbetreiben. Menschen würden wieder einen hohen Preis bezahlen. Europa und Deutschland auch. Denn dann wäre die Schließung der Balkanroute eine Scheinlösung und die Enttäuschung der Bürger noch größer. Dann "kämen wir vom Regen in die Traufe", warnt Merkel.

Sie macht es zu einer Frage der Ehre: "Es gereicht Europa nicht zur Ehre, sich als Union mit 28 Mitgliedstaaten und 500 Millionen Einwohnern so lange so schwergetan zu haben, die Lasten zu teilen."

Herausforderung meistern
Als reicher Kontinent müsse Europa eine solche Herausforderung meistern können. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter zollt Merkel Respekt: "Sie haben der hysterischen Stimmung in Ihren eigenen Reihen nicht nachgegeben." Allen voran der CSU. Seehofer führe sich wie Rumpelstilzchen auf. Dazu später.

Mit der Türkei soll nun vereinbart werden, dass sie erst einmal alle illegal über die EU-Außengrenze nach Griechenland gelangten Flüchtlinge zurücknimmt. Nach massiver Kritik von Menschenrechtlern musste die EU-Kommission ihren Vorschlag aber nachbessern. Jeder Flüchtling habe den Anspruch auf individuelle Klärung seines Asylantrags, heißt es jetzt. Auch auf eine richterliche Entscheidung. Wo die Kapazitäten dafür im überforderten Griechenland herkommen sollen, bleibt aber unklar.

Und auch die legale Übernahme von Flüchtlingen aus der Türkei in die EU ist immer noch höchst problematisch. Eine faire Verteilung in den Mitgliedstaaten ist nicht in Sicht. Merkel ist dabei immer noch genau so isoliert wie schon im letzten Jahr. Es handle sich eher um tausende als um hunderttausende Menschen, heißt es dazu in der EU-Kommission wie zur Beruhigung.

Türkei-Deal
Die Türkei verlangt für den Deal sechs Milliarden Euro und eine weitere Annäherung an die EU, deren Mitglied sie seit Jahrzehnten werden möchte. Dass Ankara seine Interessen in den Verhandlungen über einen EU-Beitritt artikuliere, könne und solle eigentlich niemanden verwundern, sagt Merkel.

Seehofer schlägt nun aber Alarm. Vielleicht hat er nicht richtig verstanden, was er mit Merkel und Gabriel im vorigen November vereinbart hatte. Oder er hat damals die Tragweite nicht erkannt. Damals wurde schriftlich niedergelegt, die Verhandlungen über Visafreiheit zu beschleunigen. Nun sagt Seehofer, völlige Visafreiheit habe er nie gemeint.

Merkel sagt, sie halte sich streng an die Beschlüsse. Und sie betont, dass sich bereits alle 28 EU-Mitgliedstaaten über die beschleunigte Visafreiheit für die Türkei einig seien - wenn Ankara alle 72 dazu gemachten Auflagen erfülle. Dahin ist aber ein weiter Weg, kaum vorstellbar, dass es bis Ende Juni klappt. Und dann gibt es noch das EU-Land Zypern, das erst einmal von der Türkei anerkannt werden will.

Empörung
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch empört sich, dass Merkel und die EU überhaupt auf die Türkei mit ihrem Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan als Schlüsselland für die Lösung der Krise setzen. "Menschenrechte dürfen niemals auf dem Verhandlungstisch liegen."

Merkel versichert, dass sie immer alle Missstände anspreche. Die Pressefreiheit in der Türkei und das Schicksal der Kurden dort sind ihr genau einen Satz in ihrer Regierungserklärung wert, einen ziemlich langen, zugegeben. Und sie mahnt: "Es ist immer ein Geben und Nehmen." Ein Deal, wenn er denn klappt.

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