Machtwechsel in Russland: Putin ist neuer Ministerpräsident. Medwedew war bereits am Mittwoch zum neuen Präsidenten gewählt worden.
Wladimir Putin kann auch nach dem Ende seiner Amtszeit die Kreml-Politik weiter bestimmen: Der bisherige russische Präsident wurde am Donnerstag mit 392 zu 56 Stimmen zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Putin könnte das neue Amt auch als Sprungbrett nutzen, um sich in vier Jahren wieder zum Präsidenten wählen zu lassen. Vor der Staatsduma stellte Putin am Donnerstag die Grundrisse der Wirtschaftspolitik bis 2020 vor.
Wahl im Parlament
Der am Mittwoch vereidigte neue Präsident
Dmitri Medwedew stellte Putin im Parlament zur Wahl vor. Das Ergebnis stand
von vornherein fest, da Putins Partei Einiges Russland 315 der 450
Abgeordneten in der Staatsduma stellt. Die Gegenstimmen kamen von der
Kommunistischen Partei, die 57 Sitze hat.
Der Präsident hat in Russland zwar weitaus mehr Macht als der Ministerpräsident, der bisher nur als ausführendes Organ des Kreml-Chefs in Erscheinung trat. Nach der Wahl Putins an die Spitze des Regierungskabinetts stellt sich jetzt aber für viele die Frage, wer künftig wirklich die Politik in Moskau bestimmt. Medwedew ist 13 Jahre jünger als Putin und verdankt allein diesem seinen überraschenden politischen Aufstieg.
Mit der Vereidigung von Medwedew und der Wahl Putins ist eine Übergangsphase von mehreren Monaten zu Ende gegangen. Die Verfassung hinderte Putin daran, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Daraufhin bestimmte er Medwedew zum Kandidaten für seine Nachfolge und signalisierte sein Interesse am Amt des Ministerpräsidenten.
Medwedew präsentierte Putin am Donnerstag in der Staatsduma und sagte, der Applaus der Abgeordneten bedeute, "dass Wladimir Wladimirowitsch keine besondere Empfehlung braucht". Putin habe die Wirtschaft vorangebracht und die globale Stellung des Landes gestärkt. "Russland wird wieder respektiert", sagte Medwedew. Zur künftigen Zusammenarbeit mit dem Ministerpräsidenten erklärte Medwedew: "Ich denke, dass niemand zweifelt, dass unser Tandem, unsere Zusammenarbeit nur noch stärker wird." Putin werde bei der Umsetzung der Politik "eine Schlüsselrolle spielen".
In seiner eigenen, weit längeren Rede sagte Putin, dass "die Konsolidierung der politischen Kräfte und die Solidarität der Gesellschaft" entscheidend für weitere Fortschritte in Russland seien. "Wir brauchen ein abgestimmtes Zusammenwirken aller Zweige der Regierung." Der neue Ministerpräsident erklärte, Russland solle beim Lebensstand in den nächsten 15 Jahren zu den weltweit führenden Staaten gehören. Die Inflation müsse im einstelligen Bereich gehalten werden - im vergangenen Jahr waren es zehn Prozent.
Der 55-jährige Putin kennt das Amt des Ministerpräsidenten bereits: 1999 war er es fünf Monate lang unter Präsident Boris Jelzin. Drei Monate danach wurde er zum Präsidenten gewählt.
Medwedew neuer Präsident
Medwedew selbst ist seit
Mittwochmittag (Ortszeit) neuer Präsident Russlands. Er tritt damit in die
Fußstapfen seines politischen Ziehvaters Wladimir Putin, der nach zwei
aufeinanderfolgenden Amtszeiten nicht mehr zur Wahl antreten durfte. Der
42-Jährige ist der dritte russische Staatschef sei dem Ende der Sowjetunion.
Den Amtseid legte er nach der Abschiedsrede Putins im prunkvollen
Andrejewski-Saal des Kreml vor etwa 2.400 geladenen Gästen ab. Putin
überreichte ihm die Amtsinsignien, ein Kreuz mit dem Wappen der Russischen
Föderation an einer goldenen Kette.
In diesem Konvoi fuhr Putin zur Amtsübergabe (c) AP
Medwedew will Mittelstand stärken
Der neue russische
Präsident kündigte an, er werde auch künftig auf die Unterstützung seines
Vorgängers zählen. Er versprach, die Bürgerrechte und die wirtschaftliche
Entwicklung des Landes voranzutreiben. "Ich werde alles tun, dass die
Sicherheit unserer Bürger nicht nur durch das Gesetz garantiert, sondern
tatsächlich von der Regierung gewährleistet wird", sagte das
vor zwei Monaten gewählte neue Staatsoberhaupt in seiner Antrittsrede. Es
gebe in Russland einen Rechtsnihilismus, der die Entwicklung des Landes
ernsthaft gefährde. Außerdem kündigte Medwedew die Stärkung des
Mittelstandes und den Kampf gegen Korruption an.
Putin-Rede
Putin verwies in seiner Abschiedsrede auf den "Durchbruch"
für Russland während seiner achtjährigen Amtszeit. Er wolle zeitlebens für
den Wohlstand seines Volkes sorgen, sagte der 55-Jährige, der am Donnerstag
das Amt des Ministerpräsidenten antreten soll. Der Regierungschef spielt in
Russland verfassungsgemäß eine untergeordnete Rolle, so ist Medwedew künftig
Oberbefehlshaber der Streitkräfte, einschließlich der Atomraketen. Es wird
aber erwartet, dass Putin das Amt künftig mit größerer Machtfülle ausüben
wird als alle Regierungschefs vor ihm. Der bisherige Kremlchef und sein
Wunschnachfolger haben angekündigt, die Atommacht und den weltweit führenden
Energieexporteur gemeinsam führen zu wollen.
Zweidrittelmehrheit
Zu Medwedews ersten Amtshandlungen wird
somit gehören, Putin zum neuen Ministerpräsidenten zu ernennen. Mit Ablegung
des Eids auf die Verfassung trat automatisch die bisherige Regierung zurück.
Die Wahl Putins zum Regierungschef durch das Parlament, Staatsduma, findet
voraussichtlich am Donnerstag statt. Die Zustimmung der Abgeordneten gilt
als sicher, da Putin die Kreml-Partei Geeintes Russland anführt. Sie verfügt
über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Putin muss daraufhin innerhalb
von zwei Wochen das neue Kabinett bilden.
Das Staatsfernsehen übertrug die feierliche Zeremonie im Kreml live. Wie zu sehen war, trafen Putin und der bisherige Vizepremier Medwedew nacheinander zur Amtsübergabe im Kreml ein. Zuerst fuhr Putin mit einer Limousine vor. Er begrüßte bei kühlen Temperaturen in einen dunklen Mantel gekleidet die Ehrengarde. Dann schritt er allein über den roten Teppich in den Großen Kremlpalast. Im Anschluss traf Medwedew mit einer Motorradeskorte auf dem Gelände ein. Unter Trommelwirbel, Fanfaren und dem Applaus Hunderter Gäste betrat er den Festsaal.