Die Deutsche Regierung kritisiert Kampagne des russischen Präsidenten vor der Wahl.
Der scheidende russische Präsident Wladimir Putin hat die Bürger des Landes zu einer regen Wahlbeteiligung bei der Abstimmung über seinen Nachfolger an diesem Sonntag aufgerufen. "Jeder hat die Möglichkeit, bei der russischen Präsidentenwahl seine eigene, bewusste Entscheidung zu treffen", sagte Putin am Freitag in einer Fernsehansprache. Vor allem in den Regionen wurden dagegen vor der Wahl am 2. März Klagen laut, dass der Staatsapparat die Menschen massiv dränge, ihre Stimme für Putins Wunschnachfolger Dmitri Medwedew abzugeben.
Beamte verteilen Wahlmaterial während Dienstzeit
Die Wahl
des 42-jährigen Vizeregierungschefs gilt nach Umfragen als sicher. Die
Wahlleitung kritisierte erneut Aussagen von Beobachtern, die Abstimmung sei "unfair
und unfrei". Moskauer Menschenrechtler bemängelten, dass das Fernsehen
den Großteil der Berichterstattung Medwedew und Putin gewidmet habe.
Medwedew habe während des gesamten Wahlkampfes kostenfreie Wahlwerbung
im Fernsehen gehabt, sagte Jelena Panfilowa vom Moskauer Büro der
Organisation Transparency International. Ein Gesetzesverstoß sei auch der
Missbrauch von Staatsressourcen für die Wahlwerbung, sagte der Experte von
der Menschenrechtsinstitution "Golos", Alexander Kynew. "Staatsbedienstete
nutzten ihre Arbeitszeit, um für Medwedew zu werben und Broschüren zu
verteilen", sagte er.
Militär muss unter Aufsicht wählen
Russische Medien
berichteten am Freitag, wie Angehörige der Streitkräfte in Einheiten unter
Aufsicht zur vorzeitigen Stimmabgabe ausrückten. Im zentralrussischen Gebiet
Tambow, 400 Kilometer südöstlich von Moskau, werde Patienten in
Krankenhäusern mit sofortiger Entlassung gedroht, wenn sie nicht für
Medwedew stimmen. Studenten müssten unter Aufsicht ihrer Lehrkräfte in der
Universität abstimmen, um eine hundertprozentige Wahlbeteiligung zu
erzielen. Das berichtete eine Staatsbedienstete aus Tambow, die anonym
bleiben wollte, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Staatskonzernen drohen mit Lohnkürzungen für Andersdenker
Angestellte
von Staatskonzernen müssten Lohnkürzungen oder gar Entlassungen fürchten,
sollten sie sich beim Wahlgang nicht konform verhalten. Die Klagen aus
Tambow decken sich mit Beschwerden aus anderen Regionen Russlands, über die
russische Medien berichteten. Auch bei früheren Wahlen hatte es ähnliche
Beschwerden in Russland gegeben. Dagegen wies die Wahlleitung am Freitag die
Vorwürfe kategorisch zurück.
Ruhiger Wahlkampf
"Wir haben keine Verstöße registriert. Der
Wahlkampf verlief sehr ruhig", sagte Wahlkommissionsmitglied Igor
Borissow. Die Wahlleitung warf dem Delegationschef der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates, Andreas Gross, vor, er habe mit seiner
Einschätzung über die "Ungerechtigkeit" der Wahl selbst
gegen das russische Wahlgesetz verstoßen. Ein Urteil dürfe erst nach der
Abstimmung abgegeben werden, betonte Borissow. Zur Wahl seien rund 300
internationale Beobachter, die meisten aus früheren Sowjetrepubliken, sowie
2000 Journalisten registriert.
Die rund 109 Millionen Wahlberechtigten können offiziell neben Medwedew auch für Kommunistenchef Gennadi Sjuganow, den Nationalpopulisten Wladimir Schirinowski oder den kaum bekannten Einzelbewerber Andrej Bogdanow stimmen. Letztere gelten aber als reine Zählkandidaten ohne Aussicht auf den Sieg.
Deutschland kritisiert
Die deutsche Bundesregierung hat Russland
indes Verstöße gegen demokratische Gepflogenheiten vorgehalten. Im Wahlkampf
habe es Vorkommnisse gegeben, "die aus unserer Sicht sehr kritikwürdig
sind", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag in Berlin.
Als Beispiel nannte er, dass nicht alle Kandidaten gleichen Zugang zu den
Medien gehabt hätten und internationale Wahlbeobachter an ihrer Arbeit
gehindert worden seien. Dennoch sei Berlin überzeugt, dass der bevorstehende
Wahlsonntag "nach demokratischen und rechtsstaatlichen Gesichtspunkten
stattfinden" werde und größere Komplikationen ausblieben.