UNO-Sicherheitrat:

Selenskyj: Kein Showdown mit Lawrow

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Der russische Außenminister bleibt Sitzung zum Auftakt des UNO-Sicherheitsrats fern.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich in einer Rede vor dem UNO-Sicherheitsrates für eine Reform des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen stark gemacht. Selenskyj forderte bei seinem Auftritt am Mittwochvormittag (Ortszeit) einen ständigen Sitz für Deutschland, Lateinamerika und Afrika sowie eine stärkere Präsenz Asiens. Aggressor Russland solle hingegen sein Vetorecht verlieren. Zum Showdown mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow kam es nicht. 

Sergei Lavrov

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© APA
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Russland schickte UN-Botschafter

Russland war nämlich während der Rede Selenskyjs nur durch seinen UNO-Botschafter Wassili Nebensja vertreten, obwohl sich Lawrow als Redner angekündigt hatte. Nebensja versuchte vergebens, die Rede des ukrainischen Präsidenten zum Auftakt der Sitzung zu verhindern. Es gebe keinen Anlass, den ukrainischen Präsidenten zuerst reden zu lassen und die Sitzung in eine "Ein-Mann-Stand-up-Show" zu verwandeln, sagte der Diplomat in einer offenkundigen Anspielung auf den Brotberuf Selenskyjs als Komiker. Vertreter des Aggressorstaates tun dies immer wieder in der Hoffnung, dass das die Glaubwürdigkeit des ukrainischen Präsidenten schmälert.

Der momentane Vorsitzende des Sicherheitsrates, der albanische Regierungschef Edi Rama, ließ den russischen Diplomaten abblitzen. Es kam in der Folge zu einem Schlagabtausch zwischen Nebensja und Rama, in dem der albanische Premier unter anderem sagte: "Können wir jetzt mit Ihrer Erlaubnis die Sitzung normal fortsetzen?" Selenskyj war kurz zuvor im Rat eingetroffen und setzte sich gegenüber von Nebensja an den runden Tisch.

Selenskyjs erste Reise zum UNO-Hauptquartier in New York seit Kriegsausbruch wird als Versuch gesehen, skeptische Länder von seinem Kurs zu überzeugen. Vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika ist das Verständnis für Aggressor Russland groß, auch wenn eine überwältigende Mehrheit der Staaten dessen verbrecherisches Treiben in der Ukraine in UNO-Resolutionen klar verurteilt hat.

Plädoyer für Deutschland

Überraschend sprach sich der ukrainische Präsident für einen ständigen Sitz Deutschlands im mächtigsten UNO-Gremium aus. "Deutschland ist zu einem der wichtigsten globalen Garanten für Frieden und Sicherheit geworden", sagte er. "Dies ist eine Tatsache. Fakt ist auch, dass Deutschland einen Platz unter den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates verdient, dass Lateinamerika dort dauerhaft vertreten sein muss und auch die pazifischen Staaten."

Auch die Afrikanische Union müsse ihren Platz in dem wichtigsten UN-Gremium haben. Asien verdiene ebenfalls eine stärkere Präsenz. "Es kann nicht als normal angesehen werden, wenn Länder wie Japan, Indien oder die islamische Welt von der ständigen Mitgliedschaft in dem Gremium ausgeschlossen bleiben." Es sei ungerecht, wenn Milliarden Menschen dort nicht repräsentiert seien.

Selenskyj machte Russland für die Blockade des für Friedenssicherung und Konfliktlösung zuständigen Rats verantwortlich. "Das Veto-Recht in der Hand des Aggressors ist, was die UN in die Sackgasse geführt hat", sagte der ukrainische Präsident in seiner fünfzehnminütigen Rede. Um 11.56 Uhr (Ortszeit, 17.56 Uhr MESZ) verließ er die laufende Sitzung wieder. Den Saal hatte er kurz nach Beginn der Sitzung um 11.10 Uhr betreten, die mit eine rAnsprache von UNO-Generalsekretär António Guterres eröffnet wurde.

Dem Sicherheitsrat gehören derzeit 15 der 193 UNO-Mitgliedstaaten an. Fünf Atommächte sind ständig dabei und haben Vetorecht bei allen Entscheidungen: die USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich. Einige der anderen 188 Mitgliedstaaten wechseln sich auf den verbleibenden zehn Sitzen alle zwei Jahre ab.

Deutschland bewirbt sich alle acht Jahre für einen Sitz, das nächste Mal für 2027/28. Die deutsche Bundesregierung erhebt außerdem den Anspruch, bei einer Erweiterung der ständigen Sitze als größte Wirtschaftsmacht Europas berücksichtigt zu werden. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz, der die Rede Selenskyjs im Sicherheitsrat verfolgte, hatte sich am Dienstagabend in seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung ebenfalls für eine UNO-Reform stark gemacht, aber nicht offensiv einen Sitz für sein Land gefordert. Klar sei, dass Afrika, Asien und Lateinamerika mehr Gewicht in dem Gremium gebühre.

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