Sachsen-Anhalt

Stimmen für ein NPD-Verbot

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Der Innenminister des ostdeutschen Bundeslandes will einen juristischen und politischen Kampf gegen die rechtsextremistische Partei.

Der Innenminister des ostdeutschen Bundeslandes Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann, hält an seiner Forderung nach einem neuen NPD-Verbotsverfahren fest. "Ich bin überzeugt, die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei", sagte der SPD-Politiker in einem Interview. Es sei widersinnig, dass diese Partei auch noch mit Steuermitteln finanziert werde. Daher halte er ein Verbotsverfahren in der Sache für richtig: "Jeder muss an seinem Platz etwas gegen die Rechtsextremisten tun. Ich trage meine Verantwortung in der Politik."

Radikaler seit 2003
Zudem habe sich seit dem Scheitern des Parteiverbots 2003 viel verändert, erklärte der Minister. Die Partei habe ihre Basis durch die systematischen Integration neonazistischer Kameradschaften gestärkt. Deren Gewalttaten gegenüber politischen Gegnern, Ausländern und Behinderten seien für die NPD offenbar kein Hinderungsgrund, sagte Hövelmann, der auch SPD-Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt ist.

Jeder muss seinen Teil tun
"Wir haben in unserer Gesellschaft ein Problem mit einer rechtsextremen Partei, die zunehmend Akzeptanz bis in die Mitte der Gesellschaft findet", sagte Hövelmann. Deshalb stimme er jenen zu, die meinten, dass ein Verbotsverfahren allein nicht ausreiche. Jeder müsse sich an seinem Platz mit den Rechtsextremisten auseinander setzen. Der Appell zum Engagement gegen Rechts an die Bürger sei unglaubwürdig, wenn dieselben Politiker aus formaljuristischen Gründen immer wieder die Spielräume der NPD schützen müssten.

Zivilcourage wächst
In Sachsen-Anhalt setzt der Innenminister eigenen Angaben zufolge auf ein offensives Vorgehen gegen den Rechtsextremismus. In dem Bundesland wurde gerade die Aktion "Hingucken! - Für ein demokratisches und tolerantes Land" gestartet. Die Erfahrung zeige, das parallel zu dem zunehmend offenen Umgang mit diesem Thema auch die Bereitschaft wachse, die Probleme im gesellschaftlichen Leben mit Zivilcourage anzugehen.

Schulungen und Strafen
Unter anderem plane die Landesregierung, Polizeibeamte, Schulleiter, Lehrer, Mitarbeiter kommunaler Ordnungsämter, Richter und Staatsanwälte im Umgang mit dem Rechtsextremismus zu schulen. Rechtsextremisten sollten künftig noch schärfer verfolgt werden. "So wird insbesondere bei gewalttätigen Tatverdächtigen geprüft, in welchen Fällen Meldeauflagen oder Platzverweise angeordnet werden können", erklärte Hövelmann.

Zentralrat der Juden für ein NPD-Verbot
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, hat Politik und Gesellschaft zu einem entschlosseneren Vorgehen gegen Rechtsextremisten aufgerufen. Es gehe darum, "dem braunen Pöbel die rote Karte zu zeigen", sagte er in einem Interview . Das Verbot der NPD gehöre schnellstens wieder auf die Tagesordnung. Graumann beklagte zudem einen wieder offen gezeigten Antisemitismus und schlug einen "Demokratiegipfel" zu diesen Themen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel vor.

"Wachstumsbranche" rechte Gewalt
"Der Antisemitismus war niemals tot, sondern blieb immer höchst lebendig. Heute traut man sich in Deutschland aber wieder sehr viel offener, auch Antisemitismus zu zeigen", sagte Graumann. Er war im Juni zum Stellvertreter Charlotte Knoblochs an der Spitze des Zentralrats gewählt worden, der die mehr als 100.000 Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland vertritt. Wie die aktuelle Statistik zeige, sei rechtsradikale Gewalt eine rasante und brisante Wachstumsbranche, beklagte Graumann. In diesem Jahr seien traurige Rekordzahlen zu erwarten. In der Gesellschaft gebe es hier freilich viel zu wenig Einsatz und viel zu oft gähnende Gleichgültigkeit. "Wo sind eigentlich im Land die Großdemonstrationen und Lichterketten, wo gibt es eine Massenbewegung gegen den Faschismus?", fragte er.

Demokratiegipfel als Signal
Graumann schlug einen Demokratiegipfel nach dem Vorbild des Integrationsgipfels bei der Bundeskanzlerin vor. "Damit wären Menschenfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zwar noch lange nicht vom Tisch. Aber es wäre doch ein kraftvolles Signal der Politik, eine Gelegenheit, das gesellschaftliche Klima zu beeinflussen und das klare Zeichen, dass wir alle für die Freiheit auch entschlossen kämpfen wollen", fuhr er fort. Ein solcher Gipfel könnte ein Impulsgeber sein für eine anhaltende Kraftanstrengung und für energisches Engagement, "ein Fanfarenstoß gegen die Faschisten und für die Freiheit".

Argumente reichen nicht
Alle legitimen Mittel seien anzuwenden, "wenn es darum geht, dem braunen Pöbel die rote Karte zu zeigen". Die NPD müsse als menschenverachtende Partei politisch entschlossen bekämpft werden. "Aber das alleine wird nicht genügen. Denn wer meint, wir könnten alle Menschen argumentativ für die Freiheit gewinnen und so alleine schon die NPD zum Verschwinden bringen, der lebt im Fantasialand seiner Wunschträume. Er möge selig weiter träumen", sagte Graumann.

Steuergelder für Rechtsextreme
Er nannte es schier unerträglich, dass die NPD jedes Jahr Millionenbeträge an öffentlichen Mitteln einsacke und so mit Steuergeldern auch noch kräftig gepäppelt werde. Zudem könne sie in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern jetzt die parlamentarische Plattform nutzen und missbrauchen, "um ihr politisches Gift zu verbreiten". Graumann forderte: "Das NPD-Verbot gehört daher ab sofort wieder schnellstens auf die politische Agenda."

Kämpfen statt resignieren
Wer das Verbot gebetsmühlenhaft zum Tabu erkläre, wie es einige namhafte Politiker inzwischen fast schon reflexhaft täten, sende der NPD ein ganz falsches und fatales Signal von Resignation und von Kapitulation. Das bedeute eine faktische Bestandsgarantie für die NPD. "Eine solche Einstellung ist aber weder besonders couragiert noch besonders klug, um es noch sehr milde und höflich auszudrücken. Kämpfen statt resignieren, das sollte auch hier gelten", betonte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden.

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