In der Golfregion droht eine neue militärische Eskalation.
Die hochgerüstete Regionalmacht Saudi-Arabien ist verwundet, US-Präsident Donald Trump steckt in einer Zwickmühle: Die Bombardierung von Ölanlagen in Saudi-Arabien, die Washington dem Iran zuschreibt, zieht weite Kreise. In der Region droht eine militärische Eskalation. Es könnte schnell dazu kommen - doch kaum einer weiß, wie ein solcher Konflikt wieder beendet würde.
Schock für Saudis
"Die Saudis kannten das Gefühl nicht mehr, verwundbar zu sein", sagt der Golf-Experte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Guido Steinberg. In den vergangenen Wochen war das sunnitische Königreich immer wieder von den Houthi-Rebellen - die vom Iran unterstützt werden - aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Jemen beschossen worden. Doch die Angriffe vom Samstag hatten eine neue Dimension: Das Herz der Ölförderung wurde getroffen, fast die Hälfte der wirtschaftlich so wichtigen Produktion wurde gestoppt.
Die Angriffe seien auch deshalb ein Schock für viele Saudis gewesen, weil der Bürgerkrieg im Jemen für sie bisher "etwas weit Entferntes" zu sein schien, sagt Steinberg. Sie wähnten sich wohl auch in Sicherheit, weil kaum ein Land so viel Geld in Rüstung steckt wie das Königreich. Zudem erfreut sich das Königshaus über beste Beziehungen zu US-Präsident Donald Trump und kann daher auf den Schutz des mächtigen US-Militärs hoffen. Trump versprach am Montag (Ortszeit), er werde die Antwort der USA eng mit Saudi-Arabien absprechen.
Schuldfrage
Entscheidend wird dabei die Schuldfrage sein: Wer ist für den Angriff verantwortlich? Vertreter der US-Regierung zufolge hätten die Houthis den komplexen Angriff Hunderte Kilometer von der jemenitischen Grenze entfernt nicht alleine ausführen können. Für Washington scheint daher klar: Hinter der Eskalation stecken die schiitischen Mullahs aus dem Iran. Saudi-Arabien erklärte, es seien iranische Waffen eingesetzt worden und der Angriff sei nicht von jemenitischem Boden ausgegangen.
Vieles deutet auf den Iran hin. Das ist ein Dilemma für Trump. Er würde wohl gerne Geschichte schreiben und sich als erster US-Präsident seit Jahrzehnten mit der iranischen Führung treffen - so wie er es auch mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un gemacht hatte. Immer wieder wurde die Möglichkeit eines Treffens mit Irans Präsident Hassan Rouhani am Rande der UNO-Vollversammlung im September erwähnt. Doch falls sich die Hinweise auf den Iran als Urheber der Angriffe verdichten sollten, müsste Trump wohl Gegenmaßnahmen anordnen.
Nach dem iranischen Abschuss einer Drohne des US-Militärs im Juni hatte Trump bereits einmal gezuckt und Luftschläge gegen den Iran in letzter Minute abgesagt. Er bezeichnete diese wegen bis zu 150 befürchteter ziviler Todesopfer als "unverhältnismäßig". Falls er nun eine zweite Aggression unbeantwortet ließe, wäre seine Verhandlungsposition gegenüber dem Iran deutlich geschwächt, seine Drohgebärden wären kaum mehr glaubhaft. Das kann auch Trump - der sich gerne als begabten Verhandlungsführer lobt - nicht entgangen sein.
Vergeltungsschlag
Auf die Frage, ob infolge des Angriffs in Saudi-Arabien eine Erwiderung mit "tödlichen" Luftschlägen verhältnismäßig sei, sagte Trump am Montagabend (Ortszeit): "Ich würde sagen: ja." Die Bombardierung saudischer Ziele könnte "mit einem viel, viel größeren Angriff erwidert werden", warnte er. Trump will keinen Krieg; er lehnt kostspielige Militäreinsätze am anderen Ende der Welt ab. Er betonte jedoch, dass die US-Streitkräfte für alle Einsätze bereit seien. "Wir haben die besten Kampfflugzeuge, die besten Raketen, die besten Marschflugkörper, die beste Ausrüstung", prahlte Trump.
Falls die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen Ziele im Iran fliegen sollten, möglicherweise mit Unterstützung der Saudis, könnte eine Spirale der Gewalt drohen. Iran dürfte eine direkte Konfrontation mit den Zehntausenden US-Soldaten in der Region vermeiden wollen. Teheran könnte aber zum Beispiel US-Verbündete angreifen - etwa erneut Ziele in Saudi-Arabien - oder die Schifffahrt in der für den Öltransport wichtigen Straße von Hormus stören. Zudem könnte Iran auch mithilfe von Verbündeten im Jemen, Libanon oder in Syrien zurückschlagen.
Trump will sich beim Thema Vergeltungsschläge erst mal nicht unter Zugzwang setzen lassen: "Es gibt keine Eile." Auch Saudi-Arabien hat kein Interesse an einem Krieg mit dem Iran, denn dessen Folgen wären wohl verheerend für das Land. In Riad scheint man nun zu warten, wie der oft unberechenbare Trump in Sachen Iran weiter vorgehen will.
Maximaler Druck
Trump hat den Konflikt mit dem Iran gezielt eskaliert. Er kündigte vor einem Jahr einseitig das Atomabkommen mit Teheran und setzt seither mithilfe von Sanktionen auf eine "Kampagne des maximalen Drucks". Die USA wollen den Iran zwingen, seine Waffenprogramme zurückzufahren und die Unterstützung von Milizen in der Region einzustellen. Die US-Sanktionen haben Irans wichtige Öl-und Gasförderung hart getroffen und eine Wirtschaftskrise ausgelöst.
Die jüngsten Angriffe stellen auch Saudi-Arabiens Regionalpolitik infrage. Seit 2015 bombardieren Jets des Landes die Houthis im Jemen, weil Riad in ihnen eine Speerspitze seines Erzfeindes Iran sieht. In dem Bürgerkriegsland ist es auch daher inzwischen zur größten humanitären Katastrophe der Neuzeit gekommen. Die Rebellen wiederum kontrollieren weiter große Teile des Jemens. Statt geschwächt zu werden, bauten sie - wohl mit iranischer Hilfe - ihr Raketen- und Drohnenprogramm aus. "Die saudische Regionalpolitik ist in großer Gefahr, vollends zu scheitern", sagt SWP-Experte Steinberg.