Fair und angemessen

Überraschend mildes Urteil in Guantanamo-Prozess

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Überraschend mild ging der Prozess gegen einen Fahrer Bin-Ladens über die Bühne. Doch nun stehen die härteren Fällen vor der Tür.

Der Prozess gegen den Ex-Fahrer von Terroristenchef Osama bin Laden hat überrascht: mit einem milden Urteil, mit Militärstaatsanwälten als gute Verlierer und mit fast zufriedenen Verteidigern. Allerdings gehört der erste US-Kriegsverbrecherprozess seit dem Zweiten Weltkrieg zu den leichten Fällen in Guantanamo. "Ein kleines Licht" im islamistischen Terroristennetz hatte Richter Keith Allred den reumütigen Angeklagten genannt. Bei den noch ausstehenden 80 Militär-Tribunalen in Guantanamo drohen angesichts des Kalibers der mutmaßlichen Terroristen und der eingestandenen Foltermethoden der US-Militärs ganz andere Dramen und Skandale.

Im Weißen Haus werden Hoffnungen blühen, dass der Hamdan-Prozess das auch wegen Guantanamo schwer angeschlagene Ansehen der USA etwas aufpoliert. "Fair und angemessen" würdigten das Weiße Haus und das Pentagon den Prozess. "Eine faire Jury in einem fundamental unfairen System", kommentierte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Entgegen den allgemeinen Erwartungen haben die Offiziere in der Jury und der Richter nicht als Büttel des Pentagons gehandelt", lobte die "Los Angeles Times".

Fehlende Grundrechte
Ohnehin hatte nur das Oberste Gericht in Washington mit mehreren Entscheidungen dafür gesorgt, dass in Guantanamo das System der Militärkommissionen einige juristische Grundsätze berücksichtigen musste. Erst in den bevorstehenden Prozessen gegen führende Al-Kaida-Figuren wie Khaled Sheikh Mohammed, den mutmaßlichen Chefplaner der Anschläge vom 11. September 2001, wird sich die Tauglichkeit der Militärgerichte erweisen.

Menschenrechtsorganisationen lehnen nach wie vor das ganze System ab, weil es den Beschuldigten weder bürgerliche Rechte noch den Schutz der Genfer Konvention für Kriegsgefangene zubillige. Auch Hamdans Anwälte hatten bemängelt, dass es bei dem Prozess an "Grundrechten mangele, die in jedem anderen amerikanischen Gerichtssaal eingehalten werden", so Verteidiger Charles Swift.

Im Nachhinein erwies sich der Prozess gegen den Jemeniten als unproblematisch. Ohne dass näher darauf eingegangen wurde, ignorierte die Jury Aussagen Hamdans, die offenbar unter Folter erpresst worden waren. Die Staatsanwaltschaft versuchte zwar nachzuweisen, dass der Angeklagte als Verschwörer eine Mitschuld an den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hatte. Aber Bilder von Hamdan, wie er, das Gesicht halb verhüllt und mit einer Kalaschnikow bewaffnet an der Seite Bin Ladens steht sowie zwei Boden-Luft-Raketen, die er bei seiner Festnahme in Afghanistan im Auto hatte, reichten den Militärrichtern dazu nicht aus. Hamdan überzeugte das Gericht, dass er für Bin Laden gearbeitet habe, weil dieser ihm als Fahrer "zehnmal mehr gezahlt hat als was ich früher verdient hatte".

Unerwartet entspannte Atmospähre
Da der 37-Jährige nicht nur geständig und freundlich war, sondern sich auch noch mehrfach für die Terroranschläge entschuldigte, fand der Prozess in einer unerwartet entspannten Atmosphäre statt. Zwischen Allred und Hamdan habe es sogar manchen Plausch gegeben, wie die "New York Times" berichtete. "Herr Hamdan, ich hoffe, der Tag kommt, an dem sie zu Ihrer Frau, Ihren Töchtern und in Ihr Land zurück kehren können", sagte der Richter zum Abschied.

Auch Allred weiß, dass das Pentagon "feindliche Kämpfer" nach Verbüßung der Haftstrafe gefangen halten will. In einer Art Sicherheitsverwahrung sollen Terroristen, die nach ihrer Entlassung drohen, wieder zu den Waffen zu greifen, festgehalten werden. "Es gibt einen beträchtlichen Anteil von Gefangenen in Guantanamo, die wahrscheinlich nie freigelassen werden, weil sie eine Gefahr für die Welt darstellen", so Pentagon-Sprecher Geoff Morrell.

Manche Gefangene richten ihre Hoffnungen auf die Präsidentschaftswahl am 4. November. Sowohl der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama als auch der republikanische Bewerber John McCain haben angekündigt, dass sie den weltweiten Forderungen nach Schließung des US-Gefangenenlagers auf Kuba wohl folgen werden. Dann sollen die mutmaßlichen Terroristen als zivile Gefangene oder Kriegsgefangene behandelt werden - aber auch da droht Angeklagten wie Sheikh Mohammed noch die Todesstrafe.

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