Bis jetzt ist kein Einspruch seitens Karadzics eingelangt. Vor Donnertstag wird es wohl nicht zu einer Auslieferung kommen.
Die endgültige Entscheidung über eine Überstellung des früheren bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic an das UN-Tribunal in Den Haag kann nicht vor Donnerstag gefällt werden. Der Einspruch gegen die Überstellung von Karadzics Anwalt Svetozar Vujacic sei noch nicht eingegangen, sagte die Sprecherin des serbischen Kriegsverbrechergerichts in Belgrad am Montag. Vujacic hatte den Einspruch am Freitag kurz vor Ablauf der Frist abgeschickt. Der Anwalt hatte zuvor angekündigt, die Überstellung seines Mandanten hinauszögern zu wollen. Nationalistische Serben kündigten für Dienstag eine Großkundgebung in Belgrad an.
Binnen drei Tagen eine Entscheidung
Sobald das Belgrader Gericht
Vujacics Einspruch erhält, soll binnen drei Tagen eine endgültige
Entscheidung über Karadzics Überstellung an das Haager Tribunal gefällt
werden. Eine entsprechende Anordnung muss noch vom serbischen
Justizministerium abgesegnet werden. Eine Verzögerung der Überstellung
könnte Karadzics in Bosnien lebender Familie Gelegenheit geben, ihn in
Serbien noch einmal zu besuchen.
Bis jetzt kein Einspruch eingelangt
Eine Sprecherin des
zuständigen Begrader Gerichts sagte am Montag, dass bis zum Nachmittag kein
Einspruch gegen die Karadzic-Überstellung eingegangen sei, wie das
Staatsfernsehen RTS berichtete. Vujacic teilte mit, das Schreiben sei am
vergangenen Freitag fristgemäß per Post an das Gericht abgeschickt worden.
"Vielleicht kommt die Post aus der Ferne", sagte er unter Anspielung darauf,
dass er das Eintreffen seines Einspruches bei Gericht so lange wie möglich
hinauszögern wollte. Einer Auslieferung muss - außer dem Gericht - auch das
Justizministerium zustimmen. Dies gilt als Formsache.
Großdemo für Karadzic
Anwalt Vujacic warf den Behörden
vor, Karadzic vor der für Dienstag geplanten Großdemonstration seiner
Anhänger nach Den Haag überstellen zu wollen. "Es ist mein und Radovans
einziges Ziel, dass das nicht passiert", sagte der Anwalt bei einer
Kundgebung am Sonntagabend. Er und Karadzics Bruder besuchten den Häftling
am Montag neuerlich im Gefängnis. Hinter der geplanten Großdemo für den
"Helden" Karadzic stehen die serbische nationalistische Opposition und
extremistische Verbände, für gegen das "diktatorische Regime" des
demokratischen Präsidenten Boris Tadic auftreten.
Unterdessen hat der Sicherheitsausschuss des serbischen Parlaments über die Umstände der Karadzic-Festnahme beraten. Medienberichten zufolge wurde Karadzic vor seiner Festnahme monatelang observiert. Wie die Zeitung "Vecernje Novosti" unter Berufung auf Ermittlungskreise berichtete, wurde der mutmaßliche Kriegsverbrecher von 50 Mitarbeitern des serbischen Geheimdienstes verfolgt. Nach Gerüchten über eine mögliche Flucht hätten die Behörden am 18. Juli die Festnahme angeordnet. Nach offizieller Darstellung wurde Karadzic am 21. Juli in einem Belgrader Bus verhaftet.
Staatsreform liegengeblieben
Der frühere EU-Beauftragte für
Bosnien-Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling (CDU), forderte die
Staatengemeinschaft unterdessen auf, das Augenmerk verstärkt auf
Bosnien-Herzegowina zu richten. Die Frage, ob ein multi-ethnisches
Zusammenleben in der Region gelinge, "entscheidet sich weder im Kosovo, noch
in Serbien, sondern in Bosnien-Herzegowina", sagte Schwarz-Schilling. Der
CDU-Politiker beklagte, dass die Staatsreform in dem Balkan-Staat
"liegengeblieben" sei.
Zwölf Jahre untergetaucht
Karadzic war 1996 untergetaucht,
nachdem ihn das UN-Tribunal wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und
Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt hatte. Der einstige bosnische
Serbenführer und sein noch flüchtiger, früherer Militärchef Ratko Mladic
werden für Gräueltaten während des Bosnien-Krieges von 1992 bis 1995
verantwortlich gemacht, unter anderem für das Massaker von Srebrenica mit
rund 8000 Opfern.
In Serbien leben laut Angaben des Innenministeriums 61 Personen, die Dragan Dabic heißen. Hinter diesem Namen hatte sich der gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher Karadzic meist versteckt. Innenminister Ivica Dacic bestätigte am Montag, dass der Personalausweis, welchen der am letzten Montag festgenommene Karadzic besaß, mit jenem von Dragan Dabic aus der Vojvodina-Kleinstadt Ruma identisch war. Der Personalausweis wurde am 20. April 1999 ausgestellt. Der Mann hat wie Karadzic eine Ehefrau, eine Tochter und einen Sohn sowie vier Enkel.