Der ehemalige bosnisch-serbische Präsident will im Prozess seine Unschuld beweisen.
Der frühere bosnisch-serbische Präsident Radovan Karadzic gibt dem Westen die Schuld für den Bosnien-Krieg (1992-1995). Einige Länder hätten "eine kleine Nation benutzt und missbraucht", um ihre eigenen militärischen und strategischen Ziele durchzusetzen, erklärte Karadzic in einem schriftlichen Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Der Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens und der Krieg in Bosnien seien von den "Großmächten" schon lange im Vorfeld geplant gewesen, behauptete Karadzic, der derzeit im UN-Gefängnis in Scheveningen bei Den Haag einsitzt. Er hoffe, das sein Prozess die "Wahrheit" über die Ereignisse in Bosnien ans Licht bringen werde.
Vorwürfe gegen Deutschland, Frankreich und die USA
Karadzic
nannte die von ihm beschuldigten Länder zwar nicht direkt. In der
Vergangenheit hatte der 64-Jährige aber versucht, über das
UN-Kriegsverbrechertribunal Dokumente aus Deutschland, Frankreich und den
USA zu bekommen. Wie aus einem kürzlich veröffentlichten Antrag hervorgeht,
wirft er ihnen unter anderem vor, von Waffenlieferungen an die Armee von
Bosnien-Herzegowina trotz eines UN-Waffenembargos gewusst zu haben. Er
hoffe, dass sich vor Gericht zeigen werde, wer "wirklich" für das Leid der
Opfer des Bosnien-Krieges verantwortlich sei, sagte Karadzic AFP. Sollten
die Zeugen der Anklage die Wahrheit sagen, werde der Prozess seine Unschuld
beweisen.
Holbrooke bestreitet Abkommen
Karadzic zeigte sich zugleich "tief
enttäuscht", dass das Gericht eine Anhörung über die nach seinen Angaben
erfolgte Zusicherung von Straffreiheit durch den früheren Balkan-Gesandten
Richard Holbrooke abgelehnt habe. Er habe die Existenz der Vereinbarung
beweisen können, sagte Karadzic. Er verweist seit seiner Festnahme auf eine
Immunitätsvereinbarung, die er im Juli 1996 mit Holbrooke in Belgrad
getroffen haben will. Holbrooke, der mittlerweile US-Sonderbeauftragter für
Afghanistan und Pakistan ist, bestreitet hingegen, Karadzic Straffreiheit im
Falle eines Machtverzichts zugesichert zu haben.
Prozess beginnt im September
Karadzic muss sich vor dem
Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag
wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
in elf Fällen während des Bosnien-Kriegs von 1992 bis 1995 verantworten. Im
Zentrum steht die Belagerung von Sarajevo, bei der rund 10.000 Menschen
starben, und das Massaker von Srebrenica mit rund 8.000 getöteten Muslimen.
Der 64-Jährige war am 21. Juli 2008 nach einem 13 Jahre langen Versteckspiel
in Belgrad verhaftet worden. Sein Prozess in Den Haag soll voraussichtlich
im September beginnen.